Am 6. Juli 2006 betrat der deutsche Astronaut Thomas
Reiter (Foto, Nasa)
die Internationale Raumstation ISS
(International Space Station), die die Erde in einer
Entfernung von 342 km mit einer Geschwindigkeit von
rund 28.000 km/h umkreist. Er war zwei
Tage zuvor vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral
(Florida/USA) mit der US-Raumfähre Discovery zu
seinem Langzeiteinsatz von mindestens sechs Monaten
gestartet.
Ausbau der ISS
Die seit 1998 im Aufbau befindliche
ISS ist das größte und kostspieligste Projekt
der Raumfahrtgeschichte. 16 Nationen sind daran beteiligt:
Die USA, Kanada, Japan, Russland und Brasilien sowie
elf Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumagentur
(ESA),
darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Die Kosten werden bis zur geplanten Fertigstellung im
Jahr 2010 die 100 Mrd. US-$-Marke überschritten
haben. Deutschland trägt etwa 40 Prozent der europäischen
ISS-Kosten, im laufenden Jahr 161 Mio. Euro; bis Ende
2006 wird Deutschland 1,8 Mrd. Euro in die ISS investiert
haben.
Zur Zeit besteht die ISS im Wesentlichen
aus drei Bauteilen (»Modulen«), den 1998
von Astronauten gekoppelten Sarja (Sonnenaufgang) und
Unity (Einheit) sowie dem im Juli 2000 angedockten Wohnmodul
Swesda (Stern). Mittels 17 weiterer Raumtransporterflüge
sollen zusätzliche Bauteile des Weltraumkomplexes
einschließlich neuer Module, Gerüstsegmente
und Sonnensegel hinzukommen. Im Endzustand wird die
Raumstation maximale Abmessungen von etwa 109 x 88 x
80 m haben und mit rund 450 t Masse die größte
jemals gebaute Raumstation sein.
Langzeitbesatzungen
Zwischen November 2000 und April
2003 war die ISS ständig von einer dreiköpfigen
Besatzung bewohnt, die nach einer Verweildauer von jeweils
fünf bis sieben Monaten von einer neuen Besatzung
abgelöst wurde. Seit Februar 2003, als die US-Raumfähre
Columbia beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühte
und mit ihr die sieben Besatzungsmitglieder, stagnierte
der weitere Aufbau der ISS und ihre Besatzung musste
aus Versorgungsgründen auf zwei Personen reduziert
werden. Erst am 26. Juli 2005 konnte die NASA ihre Shuttle-Flüge
wieder aufnehmen. Mit der Ankunft des ESA-Astronauten
Reiter wurde die Langzeitbesatzung - nach NASA-Zählweise
die bisher dreizehnte - wieder auf drei Mitglieder
erhöht.
Reiter untersteht als Flugingenieur
dem russischen Kommandanten Pawel Winogradow, der im
März 2006 gemeinsam mit dem NASA-Flugingenieur
Jeffrey Williams mit einer russischen Sojus TMA-8 zur
ISS gelangt war. Die TMA-8 war seitdem an der ISS befestigt
und dient der ständigen Bordmannschaft als »Rettungsboot«;
sie bringt außerdem im September 2006 Winogradow
und Williams zur Erde zurück, die vom NASA-Kommandanten
Michael Lopez-Alegria und dem russischen Flugingenieur
Mikhail Turin abgelöst werden sollen, an deren
Seite Reiter seine Mission fortsetzen wird.
Russischer
Beitrag
Ohne die Raumfähre Sojus und
den unbemannten Transporter Progress wäre die ISS
in ernste Schwierigkeiten geraten. Denn nach der Columbia-Katastrophe
von 2003 war es Russland, das praktisch den Betrieb
der ISS aufrechterhielt. Mit der Sojus wurde der Transport
der Besatzungen zur ISS und zurück durchgeführt;
mit dem Raumfrachter Progress die Versorgungsflüge
- so zuletzt am 26. Juni 2006, als eine Progress
2,5 t Nachschub, darunter Obst, Trinkwasser und Treibstoff,
aber auch frische Wäsche, Hygieneartikel und Familiengeschenke
zur ISS brachte. Sie besorgte auch die Müllabfuhr.
Europäischer Beitrag
Die europäischen Hauptbeiträge
bestehen aus dem Forschungsmodul Columbus und dem unbemannten
Transferfahrzeug ATV (Automated Transfer Vehicle). Das
im Auftrag der ESA beim Raumfahrtunternehmen EADS Space
Transportation in Bremen entwickelte und gebaute Forschungslabor
ist 8 m lang und 13 t schwer und wird Wissenschaftsastronauten
aus nahezu allen zukunftsträchtigen Disziplinen
Forschungsmöglichkeiten an Bord der ISS bieten.
Columbus wird voraussichtlich 2007 an Bord eines Space
Shuttle ins All gebracht. Das Frachtschiff ATV soll
später mit einer europäischen Ariane 5-Trägerrakete
gestartet werden und kann dann bis zu 7,5 t Fracht zur
ISS bringen: Gase, Wasser, Treibstoff sowie die wissenschaftliche
Ausrüstung.
Mission Astrolab
Der ESA-Astronaut Reiter führt
im Rahmen der »Astrolab« getauften Mission
auf der ISS eine Reihe wissenschaftlicher und technologischer
Versuche durch. Das Programm hierfür wurde von
wissenschaftlichen Einrichtungen aus ganz Europa zusammengestellt
und deckt eine Vielzahl von Forschungsgebieten wie die
Humanphysiologie (Herzkreislaufsystem, Knochenmasse,
Augenbewegungen, Immunsystem, Atmung), die Astronautenpsychologie,
die Mikrobiologie, die komplexe Plasmaphysik und die
Strahlungsdosimetrie (= Gesamtheit der zur Messung der
Strahlendosis entwickelten Verfahren) ab. Ferner wird
er Technologiedemonstrationen (3D-Kamera) sowie Experimente
im Bereich Industrie und Bildung für Universitäten
und Schulen durchführen.
Der Name Astrolab soll an den deutschen
Kartographen, Astronomen und Navigator Martin Behaim
(1459-1507) erinnern, der das so genannte Astrolabium
entscheidend weiter entwickelt hat. Mit diesem Instrument
zur Positionsbestimmung von Himmelskörpern berechneten
die Seefahrer in der frühen Neuzeit ihre Position
auf dem Meer, die Zeit sowie Entfernungen. Auch Christoph
Kolumbus soll ein von Behaim verbessertes Astrolabium
benutzt haben.
Die europäischen Aktivitäten
während der Mission Astrolab werden vom deutschen
Raumkontrollzentrum im bayerischen Oberpfaffenhofen
geführt - eine Art Generalprobe für
eine künftige stärkere Präsenz der ESA
auf der ISS, sobald das Columbus-Labor integriert ist.
Ihm zur Seite steht ein Netz von Nutzerunterstützungs-
und Betriebszentren in ganz Europa. Das Europäische
Astronautenzentrum in Köln ist für die medizinische
Unterstützung zuständig.
Der Jetpilot Reiter, seit
1992 ESA-Astronaut, hat bereits Erfahrung mit Langzeitraumflügen:
1995/1996 verbrachte er im Rahmen der ESA-Mission EuroMir
95 bereits 179 Tage an Bord der russischen Raumstation
Mir. (MvB)
Links:
ISS:
http://spaceflight.nasa.gov/station
ESA:
www.esa.int/export/esaCP/Germany.html
NASA:
www.nasa.gov
Deutsche Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR):
www.dlr.de
Space Shuttle website der
NASA:
www.nasa.gov/mission_pages/shuttle/main/index.html
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