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Atomstrom
 

Der Anteil der Kernkraft an der Stromerzeugung nimmt weltweit zu. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) waren Ende 2005 weltweit 443 Atomkraftwerke (AKWs) in Betrieb, die 16 Prozent des globalen Strombedarfs lieferten. Fünf Jahre zuvor waren es 427. Der Schwerpunkt des Zuwachses liegt in Asien, wo vor allem energiehungrige Schwellenländer wie China und Indien auf die Atomkraft setzen und mit dem Bau neuer Kernkraftwerke begonnen haben. In den USA sind derzeit erstmals seit den 1970er Jahren wieder neue AKWs in Planung.

Experten sehen im weltweiten Trend zur Atomkraft starke Parallelen zum AKW-Boom in den 1980er Jahren. Damals waren die Kapazitäten der Atomwirtschaft als Reaktion auf die vorangegangenen Ölpreiskrisen verdreifacht worden. Die strategischen Überlegungen vieler Regierungen zu Gunsten der Atomkraft werden dadurch bestärkt, dass die Verfügbarkeit von Rohöl immer unsicherer scheint, da sich ein Großteil der Reserven in der Krisenregion Naher Osten konzentriert und erneuerbare Energien wie Wind- oder Wasserkraft, denen etwa in Deutschland der Vorzug gegebenen wird, bei weitem nicht ausreichen, um den stark gestiegenen Bedarf zu decken. Infolge des Trends zur Atomkraft ist zwar der Preis für den Rohstoff Uran stark gestiegen, doch gilt die Atomenergie immer noch als vergleichsweise billig. Ein ungelöstes Problem bleibt aber die Frage, wie die radioaktiven Abfälle der AKWs sicher endgelagert werden können.

Auch das Risiko der Weiterverbreitung von ziviler Atomtechnik zur militärischen Nutzung ist schwer beherrschbar. So wird Iran von den USA und der Europäischen Union (EU) verdächtigt, Kerntechnik zum Bau von Atomwaffen verwenden zu wollen. In der Kritik steht ebenso die Atomkooperation der USA und Europas mit Indien, das derzeit acht Kernkraftwerke baut und in einem andauerndem Konflikt mit Pakistan steht, weil Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat.

In Europa ist die Atomkraft umstritten. Deutschland, Belgien, die Niederlande und Schweden haben beschlossen, ihre AKWs schrittweise abzuschalten. Italien hat den Ausstieg bereits vollzogen. Doch in einigen Staaten zeichnet sich eine Wende ab: Schweden hat zwar zwei seiner zwölf Reaktoren abgeschaltet - den letzten 2005 -, gleichzeitig ist das skandinavische Land jetzt aber dabei, die Leistung der restlichen zehn Reaktoren so zu erhöhen, dass der Ausfall kompensiert werden kann; ein endgültiges Ausstiegsdatum gibt es nicht mehr. Zu den europäischen Ländern, die sich wieder verstärkt der Kernkraft zuwenden, gehört Finnland, das derzeit den fünften und größten Atomreaktor des Landes baut. Finnland will mit dem Bau dazu beitragen, das Klimaziel des Kyoto-Protokolls zu erreichen und unabhängiger von Energielieferungen aus Russland werden.

In Großbritannien muss bis 2020 ein Großteil der 23 AKWs aus Altersgründen vom Netz gehen. Zusammen mit Ausfällen im Kohlestrom bedeutet dies eine Energielücke von fast 30 Prozent. Bis zum Frühsommer 2006 soll gemäß einer Ankündigung von Premierminister Tony Blair über den Bau neuer Atomkraftwerke entschieden werden. Seit 1994 wurden in Großbritannien keine Kernkraftwerke mehr in Betrieb genommen.

Frankreich setzt seit Jahrzehnten auf Atomkraft. Rund 80 Prozent der konsumierten Energie stammen aus den 59 AKWs. Damit nimmt das Land international einen Spitzenplatz ein. Eine ernsthafte Debatte über einen Ausstieg hat es in Frankreich nie gegeben.

Vorreiter beim Bau neuer Reaktoren sind vor allem die Staaten Mittel- und Osteuropas: So will die Ukraine ihren Atomsektor ausbauen, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu vermindern. Dies erklärte der ukrainische Ministerpräsident Juri Jechanurow Anfang Januar 2006. Bereits jetzt produziert das Land mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs mit 15 AKWs. Vor fast 20 Jahren hatte sich im ukrainischen AKW Tschernobyl eine Katastrophe ereignet. Nach einer Kernschmelze und mehreren Explosionen wurden große Mengen an Radioaktivität in die Umwelt freigesetzt. Auf internationalen Druck legte die Ukraine das Werk Tschernobyl Ende 2000 endgültig still.

Die strategischen Planungen der russischen Regierung sehen vor, die Stromerzeugung aus Kernenergie von derzeit etwa 15 Prozent auf 22 Prozent im Jahr 2020 zu steigern. Dabei soll die erste Reaktorgeneration mit ihren erheblichen Sicherheitsmängeln nach und nach durch neuere Technik wie »schnelle Brüter« ersetzt werden.

In Deutschland ist die Nutzung der Kernkraft zwischen CDU und CSU umstritten. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklären ließ, sie halte am Atomausstieg fest, beharrt

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf seiner Forderung nach längeren Laufzeiten für die bestehenden AKWs, da der geplante Atomausstieg wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Er wird darin u.a. vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) unterstützt. Bei ihren Koalitionsverhandlungen im Herbst 2005 hatten sich Union und SPD in der Frage der Laufzeiten nicht auf eine gemeinsame Position einigen können. Im Koalitionsvertrag heißt es, es bestünden »unterschiedliche Auffassungen«; daher gelte der von der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder ausgehandelte Ausstiegsvertrag weiter. Dieser sieht Regellaufzeiten von 32 Jahren vor, der letzte Atommeiler soll demnach spätestens 2021 vom Netz gehen.

Ob neue AKWs eine höhere Versorgungssicherheit gewährleisten, ist allerdings fraglich - nicht nur, weil Atomstrom in Deutschland nicht zum Heizen benutzt wird und damit russisches Erdgas und arabisches Erdöl nicht ersetzt. Der AKW-Brennstoff Uran muss importiert werden, was zu einem Problem werden könnte. Uran sei weltweit noch knapper als Öl, Gas oder Kohle, erklärte Bundesumweltminister Siegmar Gabriel (SPD) am 5. Januar 2005 in Berlin. Der Kernbrennstoff sei nur noch 20 bis 65 Jahre verfügbar und werde wegen der zunehmenden Knappheit immer teurer. (MvB)

Weiterführende Links:

IAEA:
www.iaea.org

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
www.bmu.de/atomenergie

Überblick u.a. über die deutschen AKWs:
www.atomenergie-und-gesundheit.de

Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren:
http://bundesrecht.juris.de/atg/

Stichwort:
Atomwaffensperrvertrag

Stichwort:
Kyoto-Protokoll

 

 

 


Europäische
Atomkraftwerke

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Europäische Union
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Deutschland
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IAEA

 

 

   
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