Der Fischer Weltalmanach
nachrichtenstaatenbiografienkulturarchivglossar




Archiv

wissensquiz
stichwort
buch
cd rom

tauschbörse

buch tipps
faq
links
bestellen
kontakt

 

fischer taschenbuch verlag



www.weltalmanach.de

Sudan: Darfur

 
Im Schatten der Friedensgespräche ging in der Region Nord-Darfur der seit Jahren schwelende Konflikt und seit Februar 2003 offen ausgebrochene Krieg zwischen der Regierung und von ihnen finanzierten arabisch-stämmigen Milizen (Djandjawid-Milizen) einerseits und der in der sudanesischen Befreiungsbewegung SLM organisierten schwarzafrikanischen Zivilbevölkerung der Region (Zaghawa, Masalit, Fur) weiter. Der Konflikt in der mineralreichen, aber jahrzehntelang infrastrukturell vernachlässigten Region hatte sich zunächst relativ unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit abgespielt und war seit Juli 2003 eskaliert, als nach zahllosen Übergriffen arabischer Nomaden auf die sesshaften Ackerbauern SLM-Kämpfer die Stadt Kouttoum eroberten und bis zu 500 Regierungssoldaten töteten. Anfang August wurde Kouttoum von den regierungstreuen Milizen zurückerobert. Den von der Regierung unterstützten Djandjawid-Milizen wurden schwerste Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt, u.a. Folter, Entführung, Massenvergewaltigungen, Plünderung und Niederbrennen von Dörfern. Der Regierung wurde vorgeworfen, die nicht-arabische Bevölkerung mit Hilfe der Milizen systematisch aus der Region vertreiben zu wollen und als Flankendeckung bei bewaffneten Milizenüberfällen Bomben und Giftgas gegen die Zivilbevölkerung einzusetzen. Berittene Milizen drangen bis in das Hochland vor, das immer den sesshaften Ackerbauern gehört hatte. Am 4.9.2003 wurde nach siebenmonatigen Gefechten ein sechswöchiger Waffenstillstand in Abeche (Tschad) unterzeichnet. Bis zum Jahresende 2003 waren bereits 3000 Personen getötet und 60000 vertrieben worden. Friedensgespräche unter der Vermittlung Tschads scheiterten im Dezember. Nachdem der sudanesische Präsident Bashir zu Jahresbeginn 2004 die Auslöschung der Darfur-Rebellion als wichtigste politische Priorität bezeichnet hatte, wurde SLM-Führer Abdalla Abakr bei der folgenden Offensive der Regierungstruppen am 8.1.2004 getötet. Die Kämpfe machten nach UN-Angaben bis Ende April 1 Mio. Menschen (ein Fünftel der Einwohner Darfurs) zu Flüchtlingen im eigenen Land. Weitere 115000 Menschen, hauptsächlich Zaghawa, die traditionell auf beiden Seiten der Grenze siedeln, flohen vor den Kämpfen in tagelangen Fußmärschen in einen 600 km langen Streifen jenseits der Grenze zu Tschad, ohne dass ihre adäquate Versorgung dort gewährleistet war. Hilfsorganisationen und die US-Regierung warfen der sudanesischen Regierung vor, den Zugang zu der Region zu verhindern, und forderten einen umfassenden Waffenstillstand. Am 7.2.2004 eroberten Regierungstruppen die Grenzstadt Tine zurück, und Präsident Bashir kündigte eine befristete Amnestie für alle sich freiwillig ergebenden Rebellen an. Nach Rebellenangaben kontrollierten die der säkularen Oppositionsallianz zugehörige SLM und die den Islamisten nahestehende Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung (JEM) jedoch nach wie vor verschiedene Städte und ländliche Gebiete. Die Kämpfe und Flugangriffe gingen unvermindert weiter, am 28.2. töteten Rebellen nach eigenen Angaben mehr als 50 Soldaten und Milizionäre und beschlagnahmten Waffen und Munition. Bis Ende März forderten Massaker und Kämpfe nach UN-Schätzungen mindestens 10000 Opfer.Hilfsorganisationen appellierten an die UN, sich der Flüchtlinge anzunehmen. Seit Februar lief die Versorgung der in den Tschad geflohenen Menschen über eine Luftbrücke an, Ende April begannen dann UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ihre Hilfsmaßnahmen in der Darfur-Region zu verstärken und Flüchtlingslager zu errichten, die weit genug von der Grenze entfernt waren, um nicht weiterhin zum Objekt von militärischen Übergriffen durch Milizen und die sudanesische Regierungsarmee zu werden. Nach massivem internationalem Druck (2.4. Appell des UNHCR zur Entwaffnung der Milizen; 7.4. Drohung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan mit internationalem Militäreinsatz) konnte am 8.4.2004 in N'Djamena (Tschad) zwischen den Konfliktparteien ein zunächst für 45 Tage begrenzter Waffenstillstand geschlossen werden, der Korridore für den Transport von Hilfsgütern festlegt und eine Entwaffnung der Milizen vorsah. Entgegen allen Absprachen wurden die Djandjawid-Milizen jedoch nicht entwaffnet, sondern lediglich zu regulären Regierungstruppen umfunktioniert. Seit Ende April kam es zu Angriffen der sudanesischen Armee auf Flüchtlingslager im Tschad. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte legte am 7.5. einen Bericht vor, wonach Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen. Bis Juni wurde die Mehrheit der ca. 1,2 Mio. Vertriebenen in Lagern versorgt. Nachdem Milizen die Versorgung der Flüchtlinge weiterhin sabotierten, ordnete Präsident Bashir am 20.6.2004 schließlich an, die sudanesische Armee gegen die regierungsfreundlichen Milizen zu mobilisieren. US-Außenminister Powell traf am 1.7. in Sudan ein, um den Druck auf Khartum zu erhöhen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte vor dem Tod tausender Flüchtlinge nach dem Beginn der Regenzeit. Am 1.7. traf auch UN-Generalsekretär Annan zu Gesprächen in Sudan ein und besuchte ein Flüchtlingslager im Tschad. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Annan versprach die sudanesische Regierung am 3.7.2004, mit der Entwaffnung der Djandjawid-Milizen umgehend zu beginnen.

 
 

| nachrichten | staaten | biografien | kultur | archiv | glossar | wissensquiz |
| stichworte| buch | cd-rom | tauschbörse | buch-tipps | faq | links | bestellen | kontakt |