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Indien: Neue Regierung von Singh

 
Am 6.2.2004 löste Staatspräsident Abdul Kalam auf Wunsch der BJP-Regierung das Parlament auf und machte damit den Weg für Neuwahlen frei. Die Regierung versuchte damit aus ihrem guten Abschneiden bei den Landtagswahlen, der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und der Normalisierung der Beziehungen zu Pakistan Kapital zu schlagen. Am 20.4. begannen die Wahlen, die in vier Etappen bis zum 10.5. durchgeführt wurden, um die Stimmabgabe von 665 Mio. Wahlberechtigten logistisch bewältigen zu können. Erstmals kamen dabei elektronische Zählmaschinen zum Einsatz. Unerwartet ging die von der Kongresspartei angeführte Vereinigte Progressive Allianz als Siegerin aus den Wahlen hervor; auf sie entfielen 217 (+76) der insgesamt 543 zu vergebenden Mandate (darunter Kongresspartei 145 Sitze). Die von der BJP angeführte Koalition kam auf 185 (–114) Sitze (darunter BJP 138). Zwei kommunistische Parteien erreichten in Kerala und Westbengalen 53 Sitze und sicherten der Allianz der Kongresspartei eine komfortable Mehrheit in der Lok Sabha. An dem Urnengang beteiligten sich rund 55% der Stimmberechtigten; bei Anschlägen und Kämpfen während der Wahl starben mindestens 21 Menschen. Unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse trat Atal Bihari Vajpayee am 13.5.2004 als Ministerpräsident zurück. Wahlentscheidend war nach Einschätzung von Beobachtern vor allem, dass die ländliche Bevölkerungsmehrheit vom Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nicht profitiert und die BJP-Kampagne »Leuchtendes Indien« kontraproduktiv gewirkt hatte. Auch die städtischen Wähler straften die Regierung deutlich ab: 25 Minister wurden in ihren Wahlkreisen nicht bestätigt. Die viel diskutierte italienische Abstammung der Kongress-Spitzenkandidatin, der Ehefrau des 1994 ermordeten früheren Premierministers Rajiv Gandhi, erwies sich dagegen keineswegs als Nachteil für die Kongresspartei. Ihre Partei nominierte sie nach dem unerwarteten Wahlerfolg als Regierungschefin; Gandhi verzichtete aber am 18.5. auf das Amt, nachdem Hindu-Hardliner gegen die »Schmach«, dass eine Ausländerin Regierungschefin wird, polemisiert hatten. Sie blieb jedoch Vorsitzende der Kongresspartei und der Parlamentsfraktion. Als 14. Premierminister des Landes wurde am 22.5. der Sikh Manmohan Singh vereidigt, der als Finanzminister die ersten radikalen Wirtschaftsreformen Anfang der 1990er Jahre eingeleitet hatte. Der frühere Diplomat Natwar Singh übernahm das Außenministerium, Palaniappan Chidambaram wurde – wie 1996–98 – erneut Finanzminister. Insgesamt umfasst die neue Regierungskoalition 68 Mitglieder, entsprechend dem Proporz von Regionen, Kasten und Minderheiten. Mit einem Muslim als Staatschef, einem Sikh als Regierungschef und einer Christin als Mehrheitsführerin im Parlament symbolisiert die neue Staatsspitze nach Ansicht von Beobachtern die Verteidigung des säkularen Indiens gegen die Hindu-Nationalisten.
 
 

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