Die Abschrift einer Videoaufzeichnung aus dem Jahr 1996 in »Le Monde« vom 21.9.2000 mit Beschuldigungen des 1999 gestorbenen Immobilienmaklers Jean-Claude Méry gegen Spitzenpolitiker der großen Parteien brachte auch Chirac wegen des Verdachts illegaler Parteienfinanzierung unter Druck. Méry, der in den 1980er Jahren Mitglied des Zentralkomitees der gaullistischen Sammlungsbewegung RPR gewesen war, behauptete, zwischen 1984 und 1994 u. a. bei Baufirmen, die für die Stadt Paris arbeiteten, im Auftrag Chiracs, damals Bürgermeister von Paris, Vorsitzender des RPR und zeitweise (1986–88) Ministerpräsident, in großem Umfang »Kommissionsgelder« eingetrieben zu haben, hauptsächlich für den RPR, aber auch für andere Parteien. Insgesamt sollen über Konten in der Schweiz 600 Mio. FF in die Parteikassen geflossen sein, in die des RPR jährlich bis zu 40 Mio. FF. Eine zentrale Rolle soll der langjährige Kabinettsdirektor von Chirac im Pariser Rathaus, Michel Roussin, gespielt haben, gegen den in dieser Sache schon seit Jahren ermittelt wird. Der ehemalige stellvertretende Direktor der Pariser Baubehörde (Opac), selbst der passiven Bestechung angeklagt, bestätigte am 3.4.2001 vor dem Untersuchungsrichter die Angaben Mérys, dessen Aufzeichnungen gerichtlich nicht verwertbar sind, und bezichtigte Chirac, dieser habe mittels Opac ein System schwarzer Kassen zur Parteienfinanzierung aufbauen lassen. Chirac stritt jede Mitwisserschaft an den Machenschaften ab. Aussagen gegenüber der Justiz lehnte er mit Hinweis auf seinen Verfassungsrang ab. Für Delikte, auch aus der Zeit vor seiner Amtszeit als Staatspräsident, könnte er nur unter erschwerten Voraussetzungen von einem Sondergericht zur Verantwortung gezogen werden. Das Original der Videokassette mit dem Vermächtnis Mérys war auf fragwürdige Weise in den Besitz des früheren sozialistischen Wirtschafts- und Finanzministers Dominique Strauss-Kahn gelangt, der wegen eines anderen Finanzskandals im November 1999 zurücktreten musste. Ende Juni wurde Chirac von der Wochenzeitung »L'Express« beschuldigt, in den Jahren 1992 bis 1995 aus dubioser Quelle Bargeldzahlungen zur Finanzierung von Reisen im Wert von 2,4 Mio. FF erhalten zu haben. Chirac führte die Geldsummen auf Zahlungen aus dem mit insgesamt 393 Mio. FF ausgestatteten Geheimfonds zurück, über den die Regierung zu zwei Dritteln frei verfügt. Das Präsidium der Nationalversammlung gab am 26.7. dem Antrag eines Untersuchungsgerichts auf Überstellung der Vermögenserklärungen des Präsidenten statt.
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