Nachdem der Oberste Gerichtshof Chiles am 8.8.2000 die Aufhebung der Immunität Pinochets in letzter Instanz bestätigt hatte, war der Weg frei für ein juristisches Verfahren gegen ihn. Eine nach der chilenischen Strafprozessordnung vorgeschriebene medizinische Untersuchung bestätigte Pinochets Zurechnungsfähigkeit. Noch während der Untersuchung in einem Militärkrankenhaus erging am 1.12. durch Untersuchungsrichter Juan Guzmán Tapia gegen ihn und sechs weitere Offiziere der Militärjunta Anklage wegen der Verbrechen im Zusammenhang mit der so genannten Todeskarawane, einem Exekutionskommando, das nach dem Militärputsch 1973 inhaftierte politische Oppositionelle verschleppte und liquidierte. Die Anklage lautete auf Anstiftung zum Mord in 57 Fällen und Entführung in 18 Fällen. Untersuchungsrichter Guzmán erließ einen Haftbefehl gegen Pinochet und stellte ihn unter Hausarrest. Ein Berufungsgericht in Santiago hob Haftbefehl und Hausarrest aber am 11.12. wegen Verfahrensfehlern wieder auf – eine Entscheidung, die am 20.12. vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde. Begründet wurde dies mit dem Versäumnis, Pinochet vor der Anordnung des Haftbefehls nicht zum Verhör vorgeladen zu haben; Guzmán wurde laut Gerichtsbeschluss jedoch eingeräumt, dies dann am 23.1.2001 nachzuholen. Die Befragung ergab, dass der Ex-Diktator von den Menschenrechtsverletzungen während seiner Herrschaft Kenntnis hatte. Am 29.1. wurde Pinochet dann erneut unter Anklage gestellt und in Hausarrest genommen. Ein neuerlicher Spruch eines Berufungsgerichts in Santiago am 8.3. bestätigte zwar die Rechtmäßigkeit der Anklage, schwächte sie aber inhaltlich ab: Pinochet stand nun nicht mehr wegen der Verbrechen im Zusammenhang mit der Todeskarawane, sondern nur noch wegen Verdunklung vor Gericht. Untersuchungsrichter Guzmán musste sich am 12 3. diesem Spruch beugen und setzte den Ex-Diktator gegen eine Kaution von zwei Mio. chilenischen Pesos (3400 US-$) auf freien Fuß. Inzwischen lagen bereits 246 Anklagen gegen ihn vor – die Klagen aus den europäischen Ländern nicht mitgerechnet. Nachdem Pinochet am 12.10.2000 durch die Tochter des 1974 in Buenos Aires ermordeten chilenischen Generals Carlos Prats schwer belastet wurde, beantragte der argentinische Richter Juan Jose Galeano Ende Oktober seine Auslieferung an das Nachbarland. Im Zusammenhang mit diesem Fall wurde von Argentinien auch die Überstellung der beiden Chefs des früheren chilenischen Geheimdienstes Dirección National de Inteligencia (DINA), Manuel Contreras und Pedro Espinoza, und dreier Mitarbeiter verlangt. Der Oberste Gerichtshof in Santiago nahm am 18.1.2001 ein argentinisches Rechtshilfeersuchen im Fall Prats an und erklärte, dass das Verbrechen auch nach chilenischem Recht noch nicht verjährt sei. Am 23.1. wurde Contreras nach siebenjähriger Haft, zu der er wegen der Ermordung des früheren chilenischen Außenministers Orlando Letelier und dessen Sekretärin verurteilt worden war, aus dem Gefängnis entlassen. Aufgrund anderer, noch anhängiger Verfahren gegen ihn wurde er aber unter Hausarrest gestellt. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Ende Dezember 2000 seine Auslieferung an Italien verweigert. Dort war er wegen des 1975 verübten Attentats auf den früheren argentinischen Vizepräsidenten Bernardo Leighton und seine Frau in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Aufgrund des Spruchs des Berufungsgerichts vom 12.3., bei dem Pinochet gegen Kaution freikam, musste Untersuchungsrichter Guzmán auch Contreras nach Hinterlegung einer Kaution wieder aus dem Hausarrest entlassen. Ein Berufungsgericht entschied am 9.7., dass das Verfahren gegen Pinochet wegen Altersdemenz ausgesetzt wird. Bei den Opfern der Diktatur und Menschenrechtlern stieß diese Entscheidung auf heftigen Protest.
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