Ende September 1998 überträgt Präsident Nelson Mandela seine Regierungsaufgaben auf den Vizepräsidenten Thabo Mbeki, der seit Dezember 1997 auch Vorsitzender der stärksten Regierungspartei, des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist und als designierter Nachfolger Mandelas gilt, der aus Altersgründen nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidiert.
Am 5.2. 1999 eröffnet Mandela zum letzten Mal die neue Sitzungsperiode des Parlaments und weist in seiner Rede zur Lage der Nation auf die Erfolge seiner Regierung hin; u.a. seien die Wohnverhältnisse der schwarzen Bevölkerung sowie ihre Trinkwasser- und Stromversorgung wesentlich verbessert worden. Mandela betont die Bedeutung seiner Politik der Versöhnung zwischen den Rassen und der moralischen Erneuerung des Landes; er verurteilt weiße Wirtschaftskriminalität und schwarze Korruption.
In einer Sondersitzung beider Kammern des Parlaments am 26.3. würdigen die Abgeordneten die Verdienste des scheidenden Präsidenten; Mandela dankt dem ersten demokratisch gewählten Parlament dafür, daß es in den vergangenen fünf Jahren das Fundament für Demokratie und ein besseres Leben für alle Südafrikaner gelegt habe.
Wahlen
Am 27.11. 1998 beginnen mit der Wählerregistrierung die Vorbereitungen der Wahlen zur Nationalversammlung (= Unterhaus des Parlaments). Voraussetzung für die Teilnahme ist die Registrierung am Wohnort und der Besitz einer neuen Identitätskarte. Einer Untersuchung des Nationalen Forschungsrats zufolge besitzen 10,6 % der Südafrikaner keine Identitätskarte und über 5 Mio. Wahlberechtigte kein einziges offizielles Dokument. Das Innenministerium gesteht ein, 400000 Ausweise nicht rechtzeitig verschickt zu haben. Am 26.1. 1999 tritt der Leiter der Wahlkommission zurück, nachdem er mehrfach auf das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel verwiesen hatte. Die Opposition kündigt eine Klage gegen das Wahlgesetz an, in das erst kurz vor Beginn der Registrierung die Forderung nach neuen Ausweisen festgeschrieben wurde und das sie als verfassungswidrig einschätzt. Vor allem viele Weiße besitzen noch alte, ungültige Ausweise aus der Zeit des Apartheidsregimes.
Mitte Dezember 1998 kommt es zu einer Annäherung des ANC und der Inkatha-Freiheitspartei (IFP), als Vizepräsident Mbeki als Ehrenmitglied in die Königsfamilie der Zulus aufgenommen wird.
Bei den Wahlen am 2.6. 1999 erhält der ANC 66,35 % der abgegebenen Stimmen und 266 von 400 Sitzen in der Nationalversammlung. Damit wird die angestrebte Zweidrittelmehrheit, die Verfassungsänderungen ermöglicht, nur um ein Mandat verfehlt. Die rechtsliberale Demokratische Partei (DP) erhält als größte Oppositionskraft 9,56 % der Stimmen und 38 Sitze. Die IFP erreicht 8,58% und entsendet 34 Abgeordnete in die Nationalversammlung. Die in Neue Nationale Partei (NNP) umbenannte Nationale Partei (NP), die 1994 noch 20,39 % erreichte, ist mit 6,87 % und 28 Sitzen der Verlierer der Wahl.
Das Parlament konstituiert sich am 14.6. und wählt Thabo Mbeki einstimmig zum neuen Präsidenten. Bei seiner Vereidigung am 16.6. verspricht Mbeki, gegen Armut, Korruption und Kriminalität vorzugehen. Mbeki ernennt seinen Stellvertreter im ANC, Jacob Zuma, zum Vizepräsidenten, Außenministerin wird dessen frühere Frau Nkosazana Dlamini-Zuma, die bisher Gesundheitsministerin war. Das Amt das Vizepräsidenten wird deutlich herabgestuft und dessen Büro in das des Präsidenten eingegliedert. Der ANC bildet mit der IFP eine Regierungskoalition, wodurch in der Nationalversammlung eine Dreiviertelmehrheit erreicht wird, mit der auch besonders geschützte Artikel in der Verfassung geändert werden könnten.
Wirtschaft / Finanzen
Fünf Jahre nach dem Ende der Apartheidspolitik kann Südafrika eine disziplinierte Haushalts- und Finanzpolitik vorweisen. Die hohe Arbeitslosigkeit (33,9 %) konnte nicht verringert werden. Durch Rationalisierungsmaßnahmen, die die einst vom Weltmarkt isolierten Betriebe international wettbewerbsfähig machen sollen, kam es zu etwa 500000 Entlassungen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinkt 1998 um 2,3 %, der größte Rückgang seit 1994. Eine Minderung der landwirtschaftlichen Erzeugung um 19,5 % wird mit der schlechten Maisernte begründet.
Mitte November 1998 vergibt Südafrika mit insgesamt 29 Mrd. Rand den bisher größten Rüstungsauftrag seiner Geschichte an ein deutsches und ein britisch-schwedisches Konsortium. Verteidigungsminister Joe Modise hebt hervor, die Bestellungen würden Aufträge, Investitionen und weitere Entwicklungshilfe aus dem Ausland nach sich ziehen.
Der im März 1999 von Finanzminister Trevor Manuel vorgelegte Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr 1999 / 2000, der mit Gesamtausgaben von 216,8 Mrd. Rand (+6,1%), und Staatseinnahmen von 191,7 Mrd. Rand (+6,5 %) ein Defizit von 25,1 Mrd. Rand (= 3,5 % des BIP) vorsieht, setzt die bisherige Finanzpolitik sowie die Haushalts- und Steuerreform fort. Der Körperschaftssteuersatz wird auf 30 % (bisher 35 %) gesenkt, ebenso die Besteuerung von Niederlassungen ausländischer Gesellschaften auf 35% (bisher 40 %). Die Ausgaben für Polizei, Justiz und Strafvollzug werden um 4,7 % erhöht. Ein Wirtschaftswachstum von 1,8 % und eine Inflationsrate von 5,5 % werden angestrebt.
Am 8.8. 1999 wird der Zentralbankchef Chris Stals nach zehnjähriger Amtszeit von dem früheren Arbeitsminister Tito Mboweni (ANC) abgelöst, der als erster Schwarzer diesen Posten innehat.
Kriminalität
1998 werden in den Cape Flats, den von Farbigen bewohnten Vororten Kapstadts, 73 Bombenanschläge verübt. Bei Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Jugendbanden und zwischen Drogenhändlern kommt es immer wieder zu Schießereien und zur Detonation von Benzinbomben. Auch die muslimische Bürgerwehr Pagad (People against Gangsterism and Drugs) ist in Auseinandersetzungen verwickelt. Die Sicherheitskräfte erklären, daß die Lage vor allem um Kapstadt »außer Kontrolle« geraten sei.
Am 23.1. 1999 wird der Generalsekretär der rassenübergreifenden Partei United Democratic Movement (UDM), Sifiso Nkabinde, bei einem Anschlag in Richmond (Provinz KwaZulu / Natal) getötet. Nkabinde, der 1997 wegen Spionagevorwürfen aus dem ANC ausgeschlossen wurde, hatte in KwaZulu / Natal innerhalb eines Jahres über 90 Ortsverbände der UDM gegründet. Vertreter seiner Partei sehen ein Mordmotiv im Abwerben von ANC-Mitgliedern für die UDM. Am selben Tag werden bei einem Racheakt elf ANC-Anhänger getötet. Bei Unruhen in den folgenden Tagen geht die Polizei gegen Jugendliche vor, ein weiterer führender UDM-Politiker wird erschossen. Mandela sagt einen Staatsbesuch in Uganda wegen der Unruhen ab. Anfang März 1999 werden bei Kapstadt vier UDM-Politiker und ein ANC-Mitglied ermordet.
Am 24.3. verurteilt ein Gericht in Kapstadt den Geistlichen und früheren Apartheid-Gegner Allan Boesak wegen Betrugs zu sechs Jahren Haft. Der ehemalige Vorsitzende des Weltbundes Reformierter Kirchen (WARC) wurde für u.a. für schuldig befunden, 1,3 Mio. Rand aus Entwicklungshilfefonds unterschlagen zu haben.
Außenpolitik
Vom 30.8.-4.9. 1998 findet in Durban die 12. Konferenz der Bewegung der Blockfreien Staaten (NAM) statt; für die kommenden drei Jahre übernimmt Südafrika den Vorsitz der Blockfreienbewegung.
Die Militärintervention in Lesotho seit dem 22.9. steht unter südafrikanischem Kommando; nach Stabilisierung der Lage ziehen die Interventionstruppen im April 1999 wieder ab.
Sowohl Mandela als auch Mbeki bemühen sich in intensiver Reisediplomatie um Vermittlung im Kongo-Konflikt, in den acht afrikanische Staaten verwickelt sind, mit Simbabwe auch ein direktes Nachbarland Südafrikas. Im März 1999 war Mandela maßgeblich an der Einigung zwischen den Vereinten Nationen (UN) und Libyen im Streit um die mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter beteiligt.
Auf einer Europareise im März 1999 besucht Mandela die Niederlande, Finnland, Dänemark, Norwegen und Schweden; er dankt den Staats- und Regierungschefs für ihre Unterstützung beim demokratischen Wandel in Südafrika. In Rußland unterzeichnet Mandela am 30.4. mit Präsident Boris Jelzin einen Partnerschafts- und Freundschaftsvertrag zwischen beiden Staaten. Er sieht neben erweiterten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen eine Verstärkung der militärischen Zusammenarbeit vor.
Am 26.4. 1999 unterzeichen Südafrika und Botsuana einen Vertrag über die Schaffung des ersten grenzübergreifenden Nationalparks Afrikas. Der neue, über 38000 km² große Kgalagadi Transfrontier Park vereinigt den südafrikanischen Kalahari-Park mit dem botsuanischen Gemsbok-Nationalpark.
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