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Bolivien: Verfassung

 
Die 2006 einberufene Verfassunggebende Versammlung musste am 2.7.2007 eine viermonatige Verlängerung beschließen, da sie innerhalb der festgelegten Jahresfrist wegen der tiefgehenden Differenzen zwischen den politischen Parteien ohne konkretes Ergebnis geblieben war. Als eines der umstrittensten Themen unter den Delegierten erwies sich dabei der von der Opposition – die größte Oppositionspartei Podemos stellt 90 der insgesamt 255 Delegierten – eingebrachte Antrag auf Verlegung der Exekutive und Legislative von La Paz nach Sucre. In der verfassungsmäßigen Hauptstadt befindet sich seit 1898 nur noch die Judikative. Da die Anhänger der Regierung, die in der Verfassunggebenden Versammlung über eine einfache Mehrheit verfügten, den Vorschlag ablehnten, kam es zu einer monatelangen Blockade der Konstituanten und zu zahlreichen Massenveranstaltungen beider poltischer Lager. Ab August 2007 eskalierte der Streit um die Hauptstadtfrage in teilweise gewaltsamen Protesten. Am 24.11. begann die Verfassunggebende Versammlung auf der Basis eines im Eilverfahren geänderten Abstimmungsreglements ohne Teilnahme der die Abstimmung boykottierenden oppositionellen Verfassungsdelegierten, einen von der Präsidentenpartei MAS vorgelegten Verfassungsentwurf Artikel für Artikel zu verabschieden. Am 9.12. passierte in der Andenstadt Oruro der letzte Abschnitt des 411 Artikel umfassenden Verfassungsentwurfs die Versammlung, der von der Vorsitzenden am 14.12., dem letzten Tag vor Ablauf der Frist, Präsident Morales überreicht wurde. Die neue Verfassung definiert in ihrer Präambel Bolivien als einen Staat, der nicht mehr »kolonial, republikanisch und neoliberal« ist, sondern sich als »Einheits-Sozialstaat plurinationalen Gemeinschaftsrechts« (»Estado Unitario Social de Derecho Plurinacional Comunitario«) versteht. Er soll ein gemischtes privat- und staatswirtschaftliches Wirtschaftssystem erhalten, in dem Privateigentum nicht den sozialen Gemeinschaftsinteressen entgegenstehen darf. Der indigenen Bevölkerung sollen mehr politische Rechte und eine größere Kontrolle über ihr angestammtes Land zuerkannt werden. Die neue Verfassung sprach zudem dem Präsidenten, der einmal wiedergewählt werden darf, erheblich erweiterte Machtbefugnisse zu. Vor ihrem Inkrafttreten muss sie in einem Referendum von der Bevölkerung gebilligt werden. Gleich nach ihrem Inkrafttreten sollen Neuwahlen für alle politischen Ämter erfolgen. Nach dem Bekanntwerden des Verfassungsentwurfs kam es in mehreren Provinzen zu gewaltsamen Protesten und Plünderungen.
 
 

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