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Libanon: Versöhnungsabkommen von Doha

 
Nach dem Ablauf des Präsidentschaftsmandats von Lahoud gingen die Befugnisse des Staatsoberhaupts gemäß der Verfassung am 24.11. 2007 auf die Regierung als Kollektiv über. Die Vermittlungsbemühungen der internationalen Gemeinschaft in den Wochen vor und nach dem Amtsende Lahouds, an denen sich mehrere EU-Außenminister, insbesondere der Chef der französischen Diplomatie, Bernard Kouchner, die USA, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Amr Musa, der Generalsekretär der Arabischen Liga, beteiligt hatten, blieben ohne Ergebnisse. Die Regierung nominierte am 29.11. Armeechef Michel Suleiman, der schon zuvor als Konsenskandidat im Gespräch gewesen war, für die Präsidentschaft. Da die Verfassung die Kandidatur hoher Beamter frühestens zwei Jahre nach dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn erlaubt, hätte der entsprechende Artikel modifiziert werden müssen. Bei Lahoud, der gleichfalls Armeechef gewesen war, hatte das Parlament unter syrischem Druck 1998 schon einmal einer Ausnahme zugestimmt. Die Opposition zeigte sich prinzipiell mit der Kandidatur Suleimans einverstanden, wollte aber mit der Präsidentenwahl weitere Forderungen verbinden. Auch ein Dreipunkteplan zur Lösung der Krise, auf den sich am 6.1.2008 die Außenminister der Arabischen Liga in Kairo (Ägypten) verständigten, brachte kaum Bewegung in die verfahrene Situation. Im Mai eskalierte die Lage. Am 6.5.2008 ordnete die Regierung die Entlassung des der Hisbollah nahestehenden Sicherheitschefs des Beiruter Flughafens an. Außerdem erklärte sie das parallele Telekommunikationsnetz der Hisbollah für illegal und verlangte dessen Abbau. Die Hisbollah reagierte tags darauf mit einem Generalstreik, der Beirut vollständig lahmlegte. Generalsekretär Hassan Nasrallah drohte am 8.5. offen jedem mit Gewalt, der sich gegen die Hisbollah stelle. Im Vorgehen der Regierung sah er eine Kriegserklärung. Noch am selben Tag kam es zu heftigen Schießereien zwischen Hisbollah-Anhängern und Sunniten in den gemischten Beiruter Stadtvierteln. Während die Hisbollah den Beiruter Flughafen blockierte, sperrten Hariris Anhänger die Autobahn südlich von Beirut und bei Saida. In der Nacht zum 9.5. übernahm die Hisbollah die Kontrolle über Westbeirut. Das Studio von Hariris Mustakbal-TV wurde besetzt und in Brand gesetzt. Auch im südlich von Beirut gelegen Schuf-Gebirge, dem Hauptsiedlungsgebiet der Drusen, sowie im Norden und Osten des Landes kam es zu Kämpfen. Insgesamt kamen dabei über 60 Menschen ums Leben. Christliche Wohngebiete blieben von den Auseinandersetzungen weitgehend verschont.Die Hisbollah erklärte sich schließlich bereit, der Armee, die sich weitgehend im Hintergrund gehalten hatte, die von ihr besetzten Teile der Hauptstadt zu übergeben. Die Regierung nahm am 14.5. ihre beiden umstrittenen Beschlüsse zurück und öffnete damit den Weg für Verhandlungen, die zwei Tage später in Katars Hauptstadt Doha begannen. Im Auftrag der Arabischen Liga fungierte die katarische Regierung als Vermittlerin. Das Versöhnungsabkommen, das in Doha am 21.5. unterzeichnet wurde, orientierte sich an den Vorschlägen der Arabischen Liga. Nach der Wahl des Präsidenten wurde am 11.7.die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit angekündigt. Von den 30 Ministern sollen elf auf die Opposition, 16 auf die Mehrheit entfallen, drei Minister sollen vom Präsidenten bestimmt werden.. Beide Seiten verpflichteten sich, innerhalb des Landes keine Waffengewalt einzusetzen sowie ein neues, demographisch repräsentativeres Wahlgesetz auszuarbeiten. Nach dem Abkommen, das der Opposition größere Gewinne gebracht hatte als dem Mehrheitslager, normalisierten sich die Verhältnisse rasch. Das Zeltlager im Zentrum Beiruts, mit dem die Hisbollah den Regierungssitz seit mehr als einem Jahr belagert hatte, wurde noch am selben Tag aufgelöst; drei Tage später konnte die Präsidentenwahl abgehalten werden.
 
 

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