Die Diskussion über eine verstärkte Nutzung von Pflanzenmaterial zur Produktion von Kraftstoffen (Biokraftstoffe) hat sich verschärft. Zu seiner Herstellung werden oftmals Regenwälder gerodet – mit negativem Effekt auf das Weltklima. Als weitere Kritik an den Energiepflanzen war die zunehmende Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln geäußert worden, die zu teilweise drastischen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln führte. Im Berichtszeitraum sind weitere Kritikpunkte hinzugekommen: Ein im Januar 2008 bekannt gewordener interner Bericht der »Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission« bezweifelt, dass das EU-Ziel eines 10%-Anteils von Biosprit am Treibstoffverbrauch bis 2010 zu einer Minderung der globalen Treibhausgasemissionen führt. Um die Quote zu erreichen, müssten weltweit riesige Ackerflächen zum Anbau von Getreide, Sojabohnen oder Ölpalmen geschaffen werden. Dabei löse sich der v.a. in tropischen Torfböden reichhaltig vorhandene Kohlenstoff. Hinzu kämen Emissionen durch Rodungen, Düngung und Transport. In der Summe sei der Effekt auf das Klima ungewiss, möglicherweise sogar negativ. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% ergebe sich für die europäische Volkswirtschaft insgesamt sogar ein Schaden von 33–65 Mrd. €. Der Bericht empfiehlt, Energiepflanzen nicht zur Produktion von Kraftstoffen, sondern in Kraftwerken zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme einzusetzen. Ähnlich äußerten sich der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung und die OECD.Die Kritik von Landwirtschafts- und Entwicklungsexperten verstärkte sich im Frühjahr 2008 angesichts weltweit drastisch steigender Preise für Reis, Getreide und andere Grundnahrungsmittel (+83% seit 2005), die in einigen Entwicklungsländern zu Rationierungsmaßnahmen, Exportverboten und sozialen Unruhen bis hin zum Sturz der Regierung führten. Für diese Entwicklung ist der Ausbau der Biosprit-Produktion nur zu einem Teil verantwortlich. Weitere Faktoren sind stagnierende Ernteerträge, der rasch wachsende Fleischkonsum in Schwellenländern, fehlende Investitionen im Landwirtschaftssektor in den Entwicklungsländern sowie eine verfehlte Subventions- und Handelspolitik der EU und anderer Industriestaaten. Der genaue Anteil des Biospritanbaus an den Preissteigerungen bei Grundnahrungsmittel ist umstritten: Die FAO schätzte ihn Ende 2007 auf 10–15%, das International Food Policy Research Institute in Washington im März 2008 auf ein Viertel bis ein Drittel, OECD und FAO in ihrem gemeinsamen Agrarausblick Ende Mai 2008 auf ein Drittel. Unter dem Slogan »Kein Brot für Benzin« wurde von zahlreichen Akteuren, u.a. Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul, ein Stopp der Ausweitung der Biosprit-Produktion gefordert. Zum Vergleich: Von der Getreidemenge, die für die Produktion von 120 l Ethanol (einer Tankfüllung) benötigt wird, kann sich ein Mensch ein Jahr lang mit Brot ernähren.Am 21.11.2007 legten Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die Roadmap Biokraftstoffe vor. Darin hatte sich die Bundesregierung mit der Mineralölindustrie, den Automobilverbänden und der Landwirtschaft auf das Ziel geeinigt, den Biospritanteil bis zum Jahr 2020 auf 20% – das Doppelte der EU-Quote – zu steigern. Zu diesem Zweck soll die Beimischungsgrenze für Bioethanol und Biodiesel ab 2009 von den bisher gültigen 5% auf 10% angehoben werden. Eine Nachhaltigkeitsverordnung, die zum 1.1.2009 in Kraft treten soll, stellt durch den Aufbau eines internationalen Zertifizierungssystems und die direkte Zusammenarbeit mit Produktionsländern sicher, dass der Anbau der Biomasse nachhaltig, klimaschonend und nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion erfolgt. Die rasche Umsetzbarkeit und Wirksamkeit eines Kontrollsystems wird jedoch von vielen Experten und Umweltverbänden in Zweifel gezogen. Nachdem im Widerspruch zu ursprünglichen Schätzungen von Autoherstellern und Importeuren im März 2008 mitgeteilt wurde, dass über 3 Mio. Autos in Deutschland den erhöhten Biosprit-Anteil technisch nicht vertragen und die Fahrer dieser Autos nur auf das teurere Super-Plus ausweichen könnten, wurde am 4.4.2008 die Biokraftstoff-Verordnung gestoppt und eine Anpassung angekündigt. Umweltverbände begrüßten das Aus für die Verordnung und forderten, die Klimaschutzziele im Verkehr durch sparsamere Autos und nicht durch Beimischung ökologisch bedenklichen Biosprits anzusteuern.
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