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Ukraine: Orangene Revolution

 
Vereinigung der OppositionDie wichtigsten Oppositionsparteien, die Bewegung Unsere Ukraine (NU) und der Block Julia Timoschenko (JT), einigten sich am 2.7.2004 auf den NU-Vorsitzenden Viktor Juschtschenko als gemeinsamen Kandidaten für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Da Präsident Kutschma nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidierte, nominierte die Regierung Ministerpräsident Viktor Janukowitsch als Kandidaten.Der Wahlkampf wurde am 9.9. von einem Dioxin-Giftanschlag auf den Oppositionskandidaten Juschtschenko überschattet, der daraufhin seine Kampagne unterbrechen musste, um sich in ärztliche Behandlung in Österreich zu begeben. Er beschuldigte die Regierung, den Auftrag zu seiner Ermordung erteilt zu haben, seine Beschwerden seien unmittelbar nach einem privaten Essen mit der Führung der Geheimpolizei Ukrainischer Sicherheitsdienst (SBU) aufgetreten. Die Ermittlungen blieben bisher ohne Ergebnis.PräsidentschaftswahlenDer Wahlkampf war geprägt von einer Polarität zwischen dem ukrainisch geprägten Westen, der Juschtschenko unterstützte, und dem russisch geprägten Osten, wo Janukowitsch großen Rückhalt genoss. Staatlich kontrollierte Medien unterstützten einseitig den amtierenden Ministerpräsidenten Janukowitsch. Auch die russische Regierung griff unverhohlen in den Wahlkampf ein: Sie entsandte politische Berater, und Präsident Wladimir Putin besuchte Janukowitsch nur wenige Tage vor dem Wahltermin und reiste auch vor der Stichwahl noch einmal an. Janukowitsch plädierte seinerseits für eine enge Anlehnung an Russland und nannte als Ziele seiner Präsidentschaft eine doppelte russisch-ukrainische Staatsbürgerschaft sowie die Einführung des Russischen als zweiter Amtssprache. Der Oppositionskandidat Juschtschenko setzte sich hingegen für eine Öffnung nach Westen und demokratisch-marktwirtschaftliche Reformen ein.Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 31.10.2004 erreichte Juschtschenko nach offiziellen Angaben 39,87% der Stimmen, Ministerpräsident Janukowitsch kam auf 39,32%. Wahlbeobachter der OSZE sprachen von einer massiven Verletzung demokratischer Standards. In der Stichwahl erhielt Juschtschenko die Unterstützung weiterer Oppositionsparteien wie der Sozialistischen Partei der Ukraine, deren Präsidentschaftskandidat Oleksandr Moros mit 5,81% das drittbeste Ergebnis aller Kandidaten erreicht hatte. Auch die Partei der Unternehmer und Industriellen empfahl, Juschtschenko zu wählen.Nach der Bekanntgabe erster Teilergebnisse am 21.11.2004 lag Regierungskandidat Janukowitsch in Führung. Daraufhin begannen bereits am Wahlabend in Kiew und anderen Städten Massendemonstrationen mit mehreren Hunderttausend Teilnehmern, die der Regierung Wahlfälschungen vorwarfen. Juschtschenko stellte sich an die Spitze der Demonstrationen und beanspruchte den Wahlsieg für sich. Mehrere Städte in der Westukraine erklärten am selben Tag, dass sie nur Juschtschenko als Präsidenten anerkennen würden. Dennoch gab die Zentrale Wahlkommission am 24.11. den Sieg Janukowitschs mit 49,46% gegen 46,61% der Stimmen bekannt.Juschtschenko rief zum Generalstreik auf und erreichte, dass das Oberste Gericht seine Klage zur Anfechtung der Wahlergebnisse zuließ. Einen ersten Erfolg errang die Opposition, als das Parlament am 27.11. die Wahlen für ungültig erklärte. In den mehrheitlich russisch geprägten Gebieten formierten sich unterdessen die Anhänger von Ministerpräsident Janukowitsch. Vertreter der Regionalparlamente der Ost- und Südukraine, die größtenteils für Janukowitsch votiert hatten, drohten im Fall der Machtübernahme Juschtschenkos mit einer Abspaltung.Auch das Oberste Gericht erklärte die Stichwahl vom 21.11. für ungültig und setzte eine Wiederholung auf den 26.12. an. Um Präsident Kutschma und dessen Anhänger für die Neuwahl zu gewinnen, beschloss das Parlament am 8.12. eine Verfassungsänderung: Die Kompetenzen des Präsidenten wurden zugunsten von Regierung und Parlament beschnitten. Die Regelungen treten allerdings erst zwischen September 2005 und April 2006 in Kraft. Um einen fairen Wahlablauf zu garantieren, wurde eine neue Zentrale Wahlkommission gebildet und strengere Vorkehrungen gegen Wahlbetrug, insbesondere durch die Einschränkung der Briefwahl getroffen. Die Opposition stellte daraufhin die Massendemonstrationen in Kiew und anderen Städten nach 17 Tagen ein. Die Wiederholung der Stichwahlen am 26.12.2004 fand ohne größere Beeinträchtigungen statt. Laut offiziellem Endergebnis errang Juschtschenko 52% der Stimmen, Janukowitsch 44%. Die Wahlbeteiligung lag bei 77%.Janukowitsch trat nach seiner Niederlage am 31.12. als Ministerpräsident zurück. Seine zahlreichen Einsprüche gegen das Wahlergebnis lehnte das Oberste Gericht ab. Juschtschenko wurde am 23.1.2005 als Präsident vereidigt und ernannte seine wichtigste politische Verbündete, die Radikaldemokratin Julia Timoschenko zur Ministerpräsidentin, die vom Parlament einstimmig bestätigt wurde. Neben der NU und dem JT ist die Sozialistische Partei in der Regierung vertreten. Der Vorsitzende der Partei der Unternehmer und Industriellen, Anatolij Kinach, übernahm das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten. Mit Anatolij Hrizenko übernahm erstmals ein Zivilist das Verteidigungsministerium; Außenminister wurde Boris Tarasjuk (NU), ein Befürworter der Annäherung an EU und NATO. Die Regierung Juschtschenko-Timoschenko nannte als vorrangige innenpolitische Ziele die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien, den Kampf gegen die Korruption und die Förderung der Wirtschaft.Auswirkungen des MachtwechselsPräsident Juschtschenko löste die Präsidialadministration auf und schuf an ihrer Stelle ein Sekretariat mit seinem Wahlkampfleiter Oleksandr Sintschenko als Stabschef. Ministerpräsidentin Timoschenko setzte nach Amtsantritt alle Gouverneure der Regionen ab; zwei Gouverneure, enge Gefolgsleute des ehemaligen Präsidenten Kutschma, wurden kurz darauf wegen Amtsmissbrauchs verhaftet. Außerdem annullierte sie die umstrittene Privatisierung des Stahlkonzerns Kriworoschstal und beauftragte die Staatsanwaltschaft mit einem Ermittlungsverfahren. Das Unternehmen war im Juni 2004 vom Schwiegersohn Kutschmas, Viktor Pintschuk, und einem der reichsten Oligarchen der Ukraine, Rinat Achmetow, für 800 Mio. $ erworben worden, obwohl andere Konsortien im Bieterverfahren die doppelte Summe geboten hatten.Nach Meinungsverschiedenheiten in der Regierung über die Prüfung weiterer 3000 Privatisierungen, die Unruhe unter internationalen Investoren auslöste, unterzeichneten Präsident Juschtschenko, Ministerpräsidentin Timoschenko und Parlamentspräsident Wolodimir Litwin am 16.6. ein Memorandum, das die Eigentumsrechte privatisierter Unternehmen in der Ukraine garantierte. Verletzungen der Privatisierungsgesetze sollten ausschließlich vor Gericht verfolgt und nicht von der Regierung rückgängig gemacht werden können.
 
 

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