Nach den positiven Voten der EU-Gremien zur Beitrittsperspektive des Landes im ersten Halbjahr 2004 folgte am 6.10.2004 die Bekanntgabe der Heranführungsstrategie. Die damit verbundenen Beitrittsverhandlungen sollten am 17.3.2005 beginnen, wurden aber einen Tag vorher durch einen Mehrheitsbeschluss der EU-Außenminister ohne Nennung eines neuen Datums ausgesetzt, weil ein entscheidendes Kriterium für den Verhandlungsbeginn bisher noch nicht erfüllt war: Die Chefanklägerin des ICTY hatte dem Europäischen Rat mitgeteilt, dass die umfassende Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Tribunal immer noch nicht gegeben war. Insbesondere monierte sie, dass sich der als Kriegsverbrecher gesuchte ehemalige General Gotovina immer noch auf freiem Fuß befände, obwohl der kroatische Staat über Zugriffsmöglichkeiten verfüge. Gotovina, der in Kroatien weithin als Volksheld gilt, wird die Ermordung von rund 150 und die Vertreibung von rund 150000 Serben im Jahr 1995 vorgeworfen. Zagreb hingegen bekräftigte, alle Möglichkeiten zur Ergreifung des Gesuchten ausgeschöpft zu haben, und wollte dies auch belegen. Deshalb räumten die 25 EU-Staats- und Regierungschefs am 23.3.2005 Kroatien eine zweite Chance ein und beauftragten eine Task Force, die Kooperation des Landes mit dem ICTY noch einmal zu überprüfen und einen Ausweg aus der Krise zu suchen. Mit dem verzögerten Beginn der Beitrittsgespräche zerschlugen sich die Hoffnungen Kroatiens, im Jahre 2007 die Verhandlungen mit der EU abschließen zu können. Ärgernis in Zagreb bereitete dieser Umstand nicht zuletzt, weil Kroatien bessere wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für einen EU-Beitritt aufzuweisen hat als etwa Bulgarien und Rumänien, für die der Beitrittstermin 2007 schon feststeht.
|
|