FWA 99, Spalte 915
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung im KSZE / OSZE-Rahmen
Die konventionelle Abrüstung - in der KSZE-Schlußakte von Helsinki (1975) noch marginal und bislang in einem gesonderten Verhandlungsforum behandelt - wurde durch die Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa (VKSE) zum Bestandteil der KSZE / OSZE. Mit der Konferenz über vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE) in Stockholm (1984-86) und Wien (seit 1989; nunmehr unter der Bezeichnung Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen VVSBM) sowie der VKSE in Wien (seit 1989) entwickelte sich dieser Bereich zu einem Hauptstrang des KSZE-Prozesses mit einer Tendenz zur Verselbständigung. Im VVSB-Rahmen wurde am 4. 3. 1992 mit dem Wiener Dokument '92 ein Maßnahmenpaket zur Verhinderung militärischer Spannungen (u.a. durch gegenseitige Inspektionen und Manöverbesuche, Austausch von Informationen über Streitkräfte) unterzeichnet.
Mit dem am 19. 11. 1990 auf dem KSZE-Gipfel in Paris unterzeichneten, am 9. 11. 1992 in Kraft getretenen Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-I-Vertrag) wurden erstmals drastische Reduzierungen bei den konventionellen Waffen (Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge) zwischen Atlantik und Ural festgelegt. Eine Zusatzvereinbarung (KSE Ia) vom 10. 7. 1992 legte für die einzelnen Vertragspartner die Personalstärke ihrer Streitkräfte fest. Atomwaffen, Seestreitkräfte und Chemische Waffen waren nicht Gegenstand der VKSE, dem Nachfolgeforum der ergebnislosen Verhandlungen über beiderseitige ausgewogene Truppenreduzierungen in Europa (MBFR) 1973-89. Am 16. 11. 1993 wurde die erste Reduzierungsphase des KSE-Vertrags beendet: Insgesamt wurden 17 200 schwere Waffen unter internationaler Kontrolle zerstört oder für zivile Zwecke umgebaut, davon 11 500 durch die Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts und 5700 durch die NATO-Staaten.
Angesichts der neuen Situation nach dem Zerfall der UdSSR und der Auflösung des Warschauer Pakts (1991) wurde der KSE-Vertrag auf einer am 1. 6. 1996 beendeten zweiwöchigen Überprüfungskonferenz in Wien erstmals modifiziert. Danach müssen Rußland, das wegen der neuen Sicherheitslage die Heraufsetzung der Obergrenzen für die Stationierung von Streitkräften und schweren Waffen gefordert hatte, und die Ukraine ihre konventionellen Rüstungsgüter in den Flankenregionen erst bis zum 31. 5. 1999 auf die im KSE-Vertrag vorgesehenen Obergrenzen reduzieren. Die Übereinkunft trat am 15. 5. 1997 unter der Voraussetzung in Kraft, daß der modifizierte Vertrag von den Parlamenten aller Vertragsstaaten ratifiziert werde. Die Ukraine und Georgien hatten sich dem Vertrag am 13. 5. 1997 angeschlossen.
Am 21. 1. 1997 nahmen in Wien Vertreter der 30 KSE-Vertragsstaaten (14 aus NATO-Staaten und 16 des ehemaligen Warschauer Pakts) die Verhandlungen über eine Anpassung des KSE-Vertrags von 1992 auf. Am 24. 7. 1997 einigten sie sich auf die Grundelemente eines neuen Abkommens, in dem für die konventionellen Waffensysteme und Streitkräfte nicht mehr Obergrenzen nach der Aufteilung in Ost und West aufgestellt werden, sondern nach nationalen und territorialen Kriterien. Auch bekennen sich die KSE-Staaten zu dem Ziel einer weiteren Senkung der Obergrenzen für schwere Waffen. Ein endgültiger Vertragsentwurf soll bis April 1999, also noch vor dem Beitritt der neuen Mitglieder der NATO, unterschriftsreif sein.
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