FWA 99, Spalte 506
Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee (Ejército Zapatista de Liberación Naciónal / EZLN) unter Führung von Subcomandante Marcos, die sich am 1.1. 1994 im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas mit der Forderung nach politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen gegen die Regierung erhoben hatte, bricht am 3.9. 1996 den Dialog mit der Regierung ab. Die Zapatisten begründen dies damit, daß bisher keine Schritte zur Umsetzung des von Vertretern der Regierung und des EZLN am 16.2. 1996 in San Andrés de Larráinzar unterzeichneten Abkommens über die Rechte und Kultur der indianischen Bevölkerung erfolgt seien.
Über 1000 Zapatisten nehmen als Vertreter indianischer Gemeinschaften vom 13.-16.9. 1997 am Gründungskongreß des Frente Zapatista de Liberación Nacional (FZLN) teil, einer nationalen politischen Bewegung, die die Forderung nach mehr Rechten für die indianische Bevölkerung unterstützt.
Bei einem Überfall auf ein Flüchtlingslager mutmaßlicher Sympathisanten des EZLN in Acteal (Gemeinde Chenalhó / Chiapas) am 22.12. werden 45 Tzotzil-Indianer, darunter 21 Frauen und 17 Kinder, von Mitgliedern einer rechtsgerichteten, der Regierungspartei PRI nahestehenden paramilitärischen Organisation ermordet. Im Zusammenhang mit diesem Massaker an unbewaffneten Zivilisten, das weltweite Proteste auslöst, werden bis 3.1. 1998 46 Personen festgenommen und der Mittäterschaft bzw. Mitverantwortung an dem Massaker angeklagt. Die Ermittlungen richten sich auch gegen den Innenminister des Bundesstaats Chiapas, Homero Tovilla Cristiani, und Sicherheitschef Jorge Gómez. Der Gouverneur von Chiapas, Julio César Ruiz Ferro (PRI), der beschuldigt wird, nichts gegen die zunehmende Zahl bewaffneter paramilitärischer Gruppen und deren Ausschreitungen unternommen zu haben, tritt am 7.1. zurück; Nachfolger wird Roberto Albores Guillén (PRI). Dieser bekräftigt, daß die Armee zur Sicherung der territorialen Integrität und zum Schutz der Bevölkerung in Chiapas bleiben müsse, und kündigt Anfang Mai die Auflösung aller autonomen Gemeindeverwaltungen an, da sie verfassungswidrig seien.
In Mexiko-Stadt demonstrieren am 13.1. Zehntausende von Menschen gegen das Massaker in Acteal und fordern ein Ende der Gewalt in Chiapas. Die Regierung räumt am 23.1. die Beteiligung von staatlichen Behörden und Sicherheitskräften an dem Massaker ein. Am folgenden Tag läßt die Regierung von Chiapas als Ausdruck ihrer Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Dialogs mit den Rebellen rund 300 indianische Häftlinge frei, überwiegend mutmaßliche Anhänger des EZLN.
Zwischen Mitte Februar und Mitte Mai werden mind. 150 Ausländer wegen unerlaubter politischer Betätigung in Chiapas des Landes verwiesen, darunter Beobachter internationaler Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Das IKRK darf Ende Mai die humanitäre Hilfe in Chiapas wieder aufnehmen.
Die von Präsident Zedillo am 15.3. dem Kongreß zugeleitete Vorlage einer Verfassungsänderung zur Umsetzung des Abkommens über die Rechte und Kultur der indianischen Bevölkerung von 1996 bleibt hinter den damals mit der EZLN unterzeichneten Vereinbarungen zurück. Der Vorsitzende der Nationalen Versöhnungskommission zwischen Regierung und EZLN in Chiapas (Conai), Bischof Samuel Ruiz Garcia, bezeichnet dieses Vorgehen als »schädlich für den Friedensprozeß«. Bischof Ruiz tritt am 7.6. 1998 als Vorsitzender der Conai zurück; wenige Stunden später gibt die Conai ihre Auflösung bekannt.
Der von Innenminister Labastida Anfang Juli vorgelegte neue Friedensplan sieht vor: Auflösung der autonomen Gemeinden, Freilassung inhaftierter Zapatisten, Stärkung der Justiz und Entwicklungsprogramme; die Regierung ist jedoch nicht zum Abzug der über 50 000 Soldaten aus der Region bereit.
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