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Russische Föderation: Regierungskritischer Medienkonzern zerschlagen

 
Der Medienunternehmer Wladimir Gussinskij, Präsident und Gründer des über Staatschef Putin, den Tschetschenien-Krieg sowie Korruptionsaffären im Kreml kritisch berichtenden, hoch verschuldeten Medienkonzerns Media-Most, der die RF nach seiner vorübergehenden Inhaftierung im Juni 2000 verlassen hat, erklärte am 18.9., ein am 20.7. unterzeichneter Vertrag über den Verkauf seiner Anteile an der Holding Media-Most an deren Hauptgläubiger, den staatlich kontrollierten Erdgaskonzern Gasprom sei ungültig, da er unter Druck gesetzt worden sei. Gussinskij, der am 13.11. zu einer Vorladung der Moskauer Staatsanwaltschaft nicht erschienen war und seither mit internationalem Haftbefehl der RF wegen Verdachts auf Kreditbetrug und Konkursverschleppung gesucht worden war, wurde am 12.12. in Südspanien festgenommen, am 22.12. gegen Kaution aus der Untersuchungshaft in Madrid entlassen und unter Hausarrest gestellt. Der Oberste Gerichtshof Spaniens lehnte am 18.4.2001 dessen Auslieferung an die RF ab. Am 25.4. reiste Gussinskij, der die russische und die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, nach Israel. Zwei Tage zuvor hatte die Moskauer Staatsanwaltschaft einen neuen internationalen Haftbefehl beantragt.

Am 17.11.2000 einigten sich die Gasprom-Tochtergesellschaft Gasprom-Media und Media-Most auf eine Regelung der Schulden: Zur Tilgung eines Kredits von 211 Mio. US-$ erhielt Gasprom 16 % der Anteile an dem einzigen vom Staat unabhängigen landesweit ausgestrahlten Fernsehsender NTW (damit besaß Gasprom 46 % der NTW-Aktien und Gussinskij nur noch 49,5 %) sowie je 25 % plus eine Aktie aller anderen zu Media-Most gehörenden Unternehmen; für einen weiteren, am 19.7.2001 fälligen Kredit, für den Gasprom gebürgt hatte, wurden dem Erdgaskonzern 19 % der Aktien von NTW und je 25 % der anderen Media-Most-Tochtergesellschaften als Sicherheit übergeben. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte im Berichtszeitraum 2000/2001 wiederholt Räume von Media-Most und beschlagnahmte Akten; Mitarbeiter wurden verhört, ihre Wohnungen durchsucht. Der Finanzdirektor der Mediengruppe, Anton Titow, wurde am 16.1.2001 festgenommen und am 23.1. wegen Betrugs angeklagt. Nach monatelangen Auseinandersetzungen wurden der Fernsehsender NTW, für dessen Unabhängigkeit am 31.3. in Moskau über 10000 Menschen demonstriert hatten, und kurz darauf die anderen Teile des Medienimperiums Gussinskijs durch den staatlich kontrollierten Konzern Gasprom übernommen. Bei einer unter rechtlich fragwürdigen Umständen zustande gekommenen außerordentlichen Aktionärsversammlung am 3.4. setzten Gasprom-Vertreter die Führung des regierungskritischen Fernsehsenders NTW ab: Gussinskij, Vorsitzender des Aufsichtsrats, und Jewgenij Kisseljow, Generaldirektor und seit 2.4. auch Chefredakteur, wurden entlassen. Der Chef von Gasprom-Media, der frühere Privatisierungsminister und ehem. stellv. Ministerpräsident (1996/97) Alfred Koch, wurde zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt und der umstrittene russisch-stämmige US-Geschäftsmann Boris Jordan zum Generaldirektor. Zahlreiche NTW-Mitarbeiter leisteten Widerstand gegen die feindliche Übernahme und kündigten, nachdem sich das neue Management am 14.4. mit Hilfe eines Gasprom-Sicherheitsdiensts Zutritt zur NTW-Sendezentrale in Moskau verschafft und damit auch faktisch die Macht übernommen hatte. Seither kontrolliert der Staat direkt bzw. indirekt alle drei landesweit ausgestrahlten Fernsehsender. Der im Ausland lebende umstrittene Geschäftsmann Boris Beresowskij hatte Anfang Februar unter dem Druck des Kremls seine Anteile an dem lange von ihm kontrollierten landesweit größten Fernsehsender ORT an den Oligarchen und neuen Gouverneur des Autonomen Bezirks der Tschuktschen, Roman Abramowitsch, verkauft. Am 17.4. wurde die liberale Tageszeitung Sewodnja eingestellt und die Redaktion des regierungskritischen Nachrichtenmagazins Itogi entlassen. Im Mai wurde der Rundfunksender Echo Moskwij durch Gasprom übernommen. Die Berufungskammer des Moskauer Schiedsgerichts gab einem Antrag der Steuerbehörde statt und ordnete am 29.5. die Liquidation des Medienkonzerns Media-Most an.

 
 
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