Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die wichtigsten Parteien und die Regionalregierungen Flanderns, Walloniens und Brüssels am 29.4.2001 auf einen schrittweisen Ausbau vom Zentral- zum Bundesstaat. Danach sollen die Regionen mehr Zuständigkeiten in der Landwirtschafts-, Verkehrs- und Entwicklungspolitik erhalten. Ende Mai erklärte sich auch die oppositionelle Parti Social-Chrétien (PSC) bereit, in der Abgeordnetenkammer für das Gesetz, für das eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist, zu stimmen. Am 28.6. wurde es angenommen. Ein Brüsseler Schwurgericht verurteilte am 8.6.2001 einen ehemaligen Minister der ruandischen Regierung, zwei Schwestern des Benediktinerordens und einen ehemaligen Professor der Universität von Butare wegen Beteiligung am Völkermord in Ruanda 1994 zu Haftstrafen zwischen 20 und 12 Jahren. Der frühere Politiker und der Hochschullehrer wurden für schuldig befunden, als maßgebliche Ideologen der Hutu-Extremisten den Massenmord an den Tutsi mitorganisiert und sich an ihm beteiligt zu haben. Die Ordensschwestern sollen Beihilfe zu einem Massaker an 7600 Tutsis, die im Benediktinerinnen-Kloster von Sovu Schutz gesucht hatten, geleistet haben. Das Gerichtsverfahren erregte auch deshalb Aufsehen, weil mit ihm erstmals ein Gesetz von 1993 Anwendung fand, das in Belgien die strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen die Genfer Konventionen von 1949 und der Zusatzprotokolle ermöglicht, auch wenn sie außerhalb der Landesgrenzen und von Ausländern verübt worden sind. Es wurde 1999 um die Zuständigkeit belgischer Gerichte auch für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für Völkermord ergänzt. Nach Vorwürfen, Belgien diene ruandischen Kriegsverbrechern als Zuflucht, hatte der damalige belgische Justizminister 1995 Ermittlungen zum Genozid in Ruanda veranlasst. Schon im Vorfeld des im April eröffneten Prozesses lebte die Kontroverse über die Rolle Belgiens in Zentralafrika wieder auf.
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