Nach einem missglückten Angriff auf einen Posten der Armee auf der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Insel Basilan im Süden der Philippinen nehmen Kämpfer der islamistischen Splittergruppe Abu Sayyaf am 20.3.2000 in einer Schule etwa 50 Geiseln, von denen sie wenige Tage später 20 gegen Lieferung von Lebensmitteln freilassen; außerdem fordern sie u.a. die Entlassung des Gouverneurs von Basilan und die Freilassung von drei Attentätern in den USA, die 1993 auf das World Trade Center in New York einen Anschlag verübt hatten. Im Zuge mehrerer Angriffe gegen Stützpunkte der Abu Sayyaf auf Basilan Ende April/Anfang Mai 2000 befreit die Armee 15 Geiseln; mehrere weitere Geiseln und zahlreiche Soldaten und Rebellen werden getötet.
Die Abu Sayyaf (»Träger des Schwertes«) bildete sich in dem seit 1971 anhaltenden Konflikt um die Unabhängigkeit Mindanaos heraus, in dem mehr als 120000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen; sie finanziert sich teilweise durch Geiselnahmen, seit Libyen seine Unterstützung für die Unabhängigkeitsbewegung auf Mindanao eingestellt hat.
Am 23.4. werden 21 ausländische Touristen, unter ihnen acht malaysische sowie französische, finnische, südafrikanische, libanesische und drei deutsche, von der malaysischen Insel Sipadan auf die südphilippinische Insel Jolo im Sulu-Archipel verschleppt, wo die Gruppe mehrmals verlegt und aufgeteilt wird, um eine gewaltsame Befreiungsaktion der Armee zu erschweren. Die Kidnapper, die der Abu Sayyaf zugerechnet werden, stellen zunächst keine klaren Forderungen. Nach Interventionen des Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana Madariaga, am 9.5. in Manila und der Regierungen, deren Bürger als Geiseln genommen wurden, bei der philippinischen Regierung hält sich die Armee zurück, um das Leben der Geiseln nicht in Gefahr zu bringen. Anfang Juli nehmen die Rebellen auf Jolo 13 Mitglieder einer Evangelistengruppe sowie drei französische und einen deutschen Journalisten gefangen, so dass sich, nach der Freilassung eines Malaysiers, insgesamt 37 Menschen in ihrer Gewalt befinden. Trotz langwieriger Verhandlungen des Chefunterhändlers Roberto Aventajado, der die Heimatländer der Entführten auffordert, Vereinbarungen über »Entwicklungshilfe-Projekte« für die Region zu vereinbaren, werden die Geiseln nur schrittweise freigelassen. In die Vermittlungen schaltet sich auch der frühere libysche Botschafter in Manila, Rajab Azzarok, auf Veranlassung des libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, ein. Über dessen gleichnamige Stiftung soll den Entführern ein Lösegeld in Höhe von zwölf Mio. US-$ für die Freilassung aller Geiseln angeboten worden sein. Im Juli kommen die Deutsche Renate Wallert, der Spiegel-Reporter Andreas Lorenz sowie weitere Geiseln frei, am 27.8.2000 Werner Wallert, vier Frauen und ein Mann. Die Abu Sayyaf, die vor Beginn der Entführungen aus 100 Kämpfern und ein paar Sympathisanten bestand, zählte Ende Juli 1700 Kämpfer; nach Angaben aus Vermittlerkreisen haben sie bis Ende August weit über zehn Mio. US-$ an Lösegeld kassiert. Da das philippinische Militär immer wieder angedroht hat, nach Beendigung des Geiseldramas gegen die Abu Sayyaf vorzugehen, haben sich inzwischen Hunderte ihrer Mitglieder zusammen mit ihren Familien von der Insel Jolo abgesetzt.
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