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Pakistan: Chronik Der Militärputsch in Pakistan

FWA 2001 Spalte 615f

Das Militär hat in der politischen Entwicklung Pakistans seit der Unabhängigkeit des Landes 1947 eine überragende Rolle gespielt. Beim Putsch von Generalstabschef Musharraf handelt es sich bereits um die dritte offene Intervention der Armee in den politischen Prozess. 1958 hatte General Ayub Khan die Verfassung außer Kraft gesetzt und bis 1969 eine Militärregierung angeführt. Nach einem demokratischen Intermezzo ergriff mit General Muhamad Zia ul-Haq 1977 erneut die Armee die Macht. Diese Phase der Militärherrschaft wurde erst durch den Unfalltod Zia ul-Haqs und die Einsetzung einer zivilen Übergangsregierung beendet. Die letzte Phase demokratischer Herrschaft (1985–1999) war von großer politischer Instabilität geprägt. Mitverantwortlich hierfür ist eine 1985 in die Verfassung eingefügte Bestimmung (achter Verfassungszusatz), derzufolge der Staatschef das Recht hat, nach Belieben den Ministerpräsident zu entlassen, die Nationalversammlung ohne Einwilligung des Regierungschefs aufzulösen sowie alle hohen Militärposten und Justizbeamte zu ernennen. Diese Bestimmung nutzte der zivile Präsident Khan, um die Premierminister Benazir Bhutto (1990, 1996) und Nawaz Sharif (1993) während ihrer Amtszeit zu entlassen und jeweils Neuwahlen auszuschreiben. Das militärische Establishment des Landes war mit dem großen Einfluss des Präsidenten mehr als einverstanden, konnte es doch mit Hilfe einer einzelnen Person großen Einfluss auf die politische Entwicklung nehmen. Im April 1997 stimmte das Parlament auf Antrag von Premierminister Sharif mit zwei Dritteln für die Abschaffung des entsprechenden Verfassungsartikels, woraufhin sich die Spannungen zwischen der Regierung und der Justiz bzw. hohen Militärs verstärkten. Die Verschiebung in den Kräfteverhältnissen zugunsten der Exekutive wurde offensichtlich, als Premierminister Sharif schließlich sogar den Rücktritt des Obersten Richters Sajjad Ali Shah und des Präsidenten Faruk Leghari im Dezember 1997 durchzusetzen vermochte. Im Oktober 1998 entlässt Sharif erstmals in der Geschichte Pakistans auch den Generalstabschef, General Jehangir Karamat, nachdem dieser erklärt hatte, nicht ein externer Feind, sondern die wirtschaftliche Lage sei die eigentliche Bedrohung für das Land. Zum Nachfolger wird General Pervez Musharraf ernannt. Sharifs Versuch, im Oktober 1999 erneut den Armeechef zu entlassen, führt zum Sturz der Regierung. General Musharraf erklärt sich zum Chef einer von ihm ernannten Zivilregierung. Anders als bei der letzten militärischen Machtergreifung 1977 kann sich der Putsch nicht auf eine dramatische Ausmaße annehmende Entlegitimierung der zivilen Regierung stützen, obwohl Premierminister Sharif wegen seines zunehmend autoritären Regierungsstils und seiner planlosen Wirtschaftspolitik große Teile der Bevölkerung enttäuscht hat. Auch die Niederlage in Kashmir und die daraus resultierenden Differenzen sind nur der Auslöser, nicht aber der wirkliche Grund für das Eingreifen der Militärs. Was letztlich zum Putsch führt, ist die in der pakistanischen Geschichte erstmalige offene Herausforderung einer zivilen und gewählten Regierung an das politisch-militärische Establishment. General Musharraf spricht dies in seiner ersten Ansprache nach dem Putsch ganz offen aus. Aus der Perspektive der Militärjunta kommt der Versuch einer Zivilregierung, sich in die Angelegenheiten der wichtigsten nationalen Institution einzumischen und damit ihre Autonomie einzuschränken, einer Destabilisierung des Staates gleich.

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Aktuelle Informationen zu diesem und allen übrigen Themen des ARCHIVS finden Sie im Fischer Weltalmanach 2002 und im Digitalen Fischer Weltalmanach 2002.