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Iran: Chronik Pressefreiheit und -zensur

FWA 2001 Spalte 380f

Die Presse mit ihrer Infragestellung der klerikalen Allmacht wird zum entscheidenden Schlachtfeld um die Durchsetzung jener Bürgergesellschaft, die Staatschef Khatami bei seinem Machtantritt versprochen hatte. Am 4.9.1999 wird zunächst die gemäßigte Reformzeitung »Neshat« verboten und der Herausgeber Latif Sarafi am 25.9. zu 2 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 27.11. wird der 1998 abgesetzte Innenminister und prominente Reformer Abdollah Nouri als Herausgeber der Zeitung »Khordad« zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er wird blasphemischer Veröffentlichungen sowie der Befürwortung diplomatischer Beziehungen zu Israel und den USA angeklagt. Nouri nutzt seine Verteidigungsrede vor Gericht zugleich für ein vehementes Plädoyer für eine weitere Säkularisierung des Regimes und die Volkswahl des Revolutionsführers. Am 2.1.2000 t eine neue reformorientierte Tageszeitung »Musharakat«, die von Mohamed Resa Khatami, dem Bruder des Präsidenten herausgegeben wird. Am 12.3. wird der Herausgeber der Zeitung »Sobh-e Emrouz« und Reformpolitiker Said Hejarian bei einem Attentat schwer verletzt. Hejarian war bis 1997 stellvertretender Geheimdienstminister, und sein Überlaufen ins Lager der Reformer war 1998 entscheidend für die Aufdeckung der Mordserie gegen Liberale gewesen. Im Vorfeld des zweiten Durchgangs der Parlamentswahlen erhöht die Justiz die harte Gangart. Nach einer erneuten Verschärfung des Pressegesetzes durch das noch von Konservativen dominierte Parlament werden am 23.4.2000 zwölf liberale Zeitungen und Zeitschriften von der Justiz verboten. Ausgespart von der Zensur werden nur vier Zeitungen und Zeitschriften, die dem unmittelbaren Umfeld des Präsidenten zugerechnet werden, so u.a. die beiden Tageszeitungen »Musharakat« und Hejarians Zeitung »Sobh-e Emrouz«. Nachdem die beiden Zeitungen ihre Auflage daraufhin deutlich steigern können, werden sie am 27.4. ebenfalls verboten. Es kommt daraufhin zwar zu den erwarteten Studentenunruhen, die aber friedlich bleiben. Khatamis Mahnung, dass Provokationen nur gewaltsame Proteste, massive Repression und Suspendierung ziviler Institutionen hervorrufen könnten, wird gehört. Die Reformer lancieren trotz allgegenwärtiger Zensurdrohungen nach dem zweiten Wahlgang am 8.5.2000 eine neue Zeitung mit dem Titel »Bahar« (Frühling). Sie wird am 8.8. vom Pressegericht ebenfalls auf unbestimmte Zeit verboten. Am 18.6. fordert die Mehrheit des neu gewählten Parlaments in einer Resolution eine Liberalisierung der bestehenden Pressegesetze, auf deren Grundlage die reformerischen Zeitungen suspendiert und zahlreiche Journalisten verhaftet worden waren. Zugleich appellieren sie in einem offenen Brief an Ayatollah Shahrudi, die 16 verbotenen Zeitungen und Magazine wieder zuzulassen. Alle Hoffnungen, das neue, von Reformern kontrollierte Parlament werde das drakonische Pressegesetz rasch aufheben, werden jedoch enttäuscht. Vor dem Hintergrund weiterer Zeitungsverbote verhindert Revolutionsführer Khamenei am 6.8. auf Druck des Wächterrats die parlamentarischen Beratungen über eine Neufassung des Pressegesetzes. Ein Einspruch gegen diese autoritative Entscheidung des geistlichen Führers ist nicht möglich.

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Aktuelle Informationen zu diesem und allen übrigen Themen des ARCHIVS finden Sie im Fischer Weltalmanach 2002 und im Digitalen Fischer Weltalmanach 2002.