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Chronik: Afghanistan

FWA 2000, Sp. 54

Nachdem im September 1998 die Provinzhauptstadt Mazar-i Sharif und weitere St�dte im Norden durch die Taliban-Milizen erobert wurden, ist die Anti-Taliban-Allianz zerschlagen. Weder die paschtunische Hesb-i Islami des fr�heren Ministerpr�sidenten Gulbuddin Hekmatyar noch die usbekischen Milizen von Raschid Dostum und Abdel Malik spielen milit�risch noch eine Rolle, ihre F�hrer sind ins Ausland geflohen. Widerstand leisten nur noch die schiitischen Hesb-i-Wahdat-Milizen und vor allem die Dschamiat-i Islami des Tadschiken Ahmed Massud, der sein R�ckzugsgebiet im Zentralhindukusch (Pandjir-Tal) und im �u�ersten Nordosten verteidigen kann. Bereits Mitte Oktober gelingt seinen Truppen die R�ckeroberung der Provinz Takhar. Massud, offiziell Milit�rf�hrer der in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe residierenden Exilregierung unter Burhanuddin Rabbani, wird im Dezember Vorsitzender des Obersten Milit�rrats einer neuen Oppositionsallianz aus zahlreichen kleineren Stammesverb�nden.

Nach Aussagen von Fl�chtlingen ist es bei der Einnahme von Mazar-i Sharif zu schweren �bergriffen gegen die Zivilbev�lkerung und zu Massenhinrichtungen gekommen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht Anfang November von mindestens 2000 Toten, im Bericht des Sonderbeauftragten der UN-Menschenrechtskommission (UNHRC), Choong Hyun Paik, ist von bis zu 5000 Toten die Rede. Opfer der von den Taliban ver�bten Massaker wurden vor allem Angeh�rige der ethnisch-religi�sen Minderheit der Hazara, aus der sich die vom Iran unterst�tzte Hesb-i Wahdat rekrutiert.

Bei der Erst�rmung des iranischen Konsulats in Mazar-i Sharif werden nach Informationen von amnesty international neun Diplomaten und ein Journalist get�tet; dies wird am 10.9. von der F�hrung der Taliban best�tigt und l�st eine schwere Krise zwischen Iran und Afghanistan aus. Mitte September 1998 �berstellen die Taliban die Leichen der neun Diplomaten und lassen einige iranische Gefangene frei; die R�ckkehr der �brigen (etwa 25) Iraner sagt Taliban-F�hrer Muhammad Omar nach einem Treffen mit dem UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi am 14.10. zu.

Anfang November 1998 erlauben die Taliban neun der 35 Hilfsorganisationen, die im Juli 1998 des Landes verwiesen wurden, die R�ckkehr nach Afghanistan. Hintergrund ist die sich angesichts des beginnenden Winters dramatisch verschlechternde Versorgungslage der Bev�lkerung, vor allem in Kabul. Das Internationale Rote Kreuz und �rzte ohne Grenzen erkl�ren sich bereit, auch in Mazar-i Sharif t�tig zu werden.

Nicht nur die aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern auch der fortschreitende Verlust an politischer und finanzieller Unterst�tzung bedrohen den Bestand des Taliban-Regimes. So hat Saudi-Arabien (ein wichtiger Geldgeber und neben Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten einer der drei Staaten, die das Taliban-Regime anerkannt hatten) im September 1998 den afghanischen Gesch�ftstr�ger des Landes verwiesen und die eigenen Diplomaten aus Kabul abgezogen. Dieser Schritt steht eindeutig im Zusammenhang mit der Abkehr der US-Regierung, die wegen ihrer Unterst�tzung f�r ein Regime, dem schwere Verletzungen der Menschenrechte, vor allem der Rechte der Frauen, vorgeworfen werden, innenpolitisch in die Kritik geraten ist. Beleg f�r das geostrategische Interesse der USA an der Region war unter anderem das Projekt einer Erdgaspipeline von Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan und zum Indischen Ozean. Ein internationales Konsortium unter der F�hrung der kalifornischen �lgesellschaft Unocal hatte im Oktober 1997 ein diesbez�gliches Abkommen mit den Taliban geschlossen, im Dezember 1998 erkl�rt Unocal allerdings endg�ltig, dieses Projekt wegen der instabilen Verh�ltnisse im Land nicht weiter verfolgen zu wollen. Eine Schl�sselrolle beim politischen Kurswechsel der USA spielt jedoch die Aff�re um den in Afghanistan lebenden expatriierten saudischen Gesch�ftsmann Ussama Ibn Ladin, einen sunnitischen Fundamentalisten, der westlichen Geheimdiensten als F�rderer islamistischer Terrororganisationen gilt und den die USA zum Anstifter der Anschl�ge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania am 7.8. erkl�ren. Am 20.8. 1998 beschie�en die USA vom Persischen Golf aus mit Marschflugk�rpern Ausbildungslager der von Ibn Ladin finanzierten Harkat al-Mudschaheddin bei Khost und Dschalalabad, wo auch das Hauptquartier Ibn Ladins vermutet wird. Im November 1998 setzt das amerikanische FBI eine Pr�mie von f�nf Mio. US- $ f�r die Ergreifung Ibn Ladins aus. Die Taliban-F�hrung verh�lt sich in der Angelegenheit ambivalent: Sie k�ndigt eine Untersuchung der US-amerikanischen Vorw�rfe an und fordert Beweise, gew�hrt Ibn Ladin jedoch weiterhin Gastrecht. Die USA verh�ngen am 5.7. 1999 Sanktionen gegen die Taliban und fordern erneut die Auslieferung Ibn Ladins.

Die nur noch von Pakistan direkt unterst�tzten Taliban suchen durch Vermittlung des UN-Sondergesandten Brahimi in Gespr�chen im Februar und M�rz 1999 den Ausgleich mit ihren Gegnern. Nach viert�gigen Verhandlungen mit Vertretern der Nordallianz in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabad wird am 15.3. eine �bereinkunft bekanntgegeben, die die Bildung einer Koalitionsregierung, den Aufbau eines Parlaments und eine gemeinsame Rechtsprechung vorsieht; ein Waffenstillstand ist jedoch nicht Teil des Abkommens.

Bereits Ende Februar 1999 flammen die milit�rischen Auseinandersetzungen wieder auf, die - von kurzen Unterbrechungen abgesehen und mit wechselndem Kriegsgl�ck - bis in den August hinein anhalten.

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Aktuelle Informationen zu diesem und allen �brigen Themen des ARCHIVS finden Sie im Fischer Weltalmanach 2001 und im Digitalen Fischer Weltalmanach 2001.