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Chronik: Jugoslawien

FWA 2000, Sp. 54

Die Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) steht nach dem Scheitern der internationalen Vermittlungsbem�hungen im Kosovokonflikt und der nachfolgenden ersten milit�rischen Intervention in der Geschichte der NATO im Mittelpunkt der Weltpolitik. W�hrend das Ende der milit�rischen Auseinandersetzungen die katastrophalen Folgen des Konflikts f�r die Bev�lkerung, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur und die Umwelt sichtbar werden l��t, bleibt die Machtbasis des jugoslawischen Pr�sidenten Slobodan Milosevic zun�chst unersch�ttert. In den westlichen Staaten sind die Luftangriffe der NATO politisch und v�lkerrechtlich umstritten.

Internationale Verhandlungen

UN-Resolution 1199

Angesichts der Versch�rfung der Lage im Kosovo fordert der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) am 23.9. 1998 (bei Enthaltung der VR China) von Jugoslawien die sofortige Einstellung der K�mpfe und den R�ckzug ihrer Sicherheitskr�fte, von der kosovo-albanischen Befreiungsarmee U�K die Waffenniederlegung und Absage an terroristische Aktivit�ten sowie die Aufnahme von Verhandlungen �ber eine politische L�sung des Konflikts und die Zulassung internationaler Beobachter und Helfer zur Abwendung einer humanit�ren Katastrophe. Die Berufung auf Artikel VII der UN-Charta gibt der Resolution einen verpflichtenden Charakter, ohne da� bei Nichtbefolgen au�er �weiteren Ma�nahmen� ausdr�cklich ein milit�risches Eingreifen angedroht wird. Mitgliedstaaten der NATO, unter F�hrung der USA und Gro�britanniens, interpretieren die Resolution als eine Art Legitimation f�r einen m�glichen Milit�rschlag gegen Jugoslawien. Unter dem Druck der Mobilisierung der NATO-Luftwaffe und eines auf vier Tage befristeten Ultimatums erkl�rt sich der jugoslawische Pr�sident Milosevic am 13.10. bereit, bis zum 27.10. die Forderungen der UN-Resolution 1199 zu erf�llen. In der Vereinbarung mit dem US-Sondergesandten Richard Holbrooke verpflichtet er sich u.a., die Bundesarmee und serbische Sonderpolizei im Kosovo auf den Stand vor Beginn der K�mpfe im Februar 1998 zur�ckzuf�hren, die Fl�chtlinge ungehindert zur�ckkehren zu lassen und 2000 unbewaffnete Inspektoren der Organisation f�r Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Erf�llung der Auflagen �berwachen zu lassen. Zu deren Schutz entsendet die NATO am 2.12. eine �Extraction Force� unter franz�sischem Oberbefehl in der St�rke von 1800 Soldaten nach Mazedonien.

Erneute Eskalation

Nach Beginn einer serbischen Offensive bei Lapasica, einer U�K-Hochburg, am 24.12. 1998 erkl�rt die U�K am 28.12. den seit Mitte Oktober anhaltenden, von vereinzelten Gefechten unterbrochenen Waffenstillstand f�r beendet.

Die Entdeckung von Opfern eines Massakers im Dorf Racak am 15.1. 1999 spitzt die Kosovokrise erneut zu. Am 22.1. teilt die NATO ihre Erkenntnis mit, die jugoslawischen Truppen im Kosovo seien um das Dreifache der am 13.10. 1998 vereinbarten Pr�senz von drei Bataillonen verst�rkt worden.

Die Au�enminister der Balkan-Kontaktgruppe (USA, Gro�britannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Ru�land) fordern auf ihrem Treffen am 29.1. in London die Kampfparteien auf, innerhalb einer Woche einen Gewaltverzicht zu vereinbaren und unter Regie der Kontaktgruppe Verhandlungen �ber eine Beendigung des Konflikts aufzunehmen. Ru�land schlie�t sich der milit�rischen Drohung, mit der die westlichen Staaten die Verhandlungen erzwingen wollen, nicht an. F�r den Fall des Scheiterns der anberaumten Verhandlungen bevollm�chtigt der NATO-Rat am 31.1. Generalsekret�r Javier Solana zur Aufnahme von Luftangriffen auf Jugoslawien. F�r den Fall der Annahme des Plans billigt er am 12.2. den Einsatzplan f�r �Implementierungskr�fte� in einer Truppenst�rke von 20000 bis 30000 NATO-Soldaten im Kosovo, deren Kern die in Mazedonien bislang zum Schutz der OSZE-Beobachtermission stationierte 1800 Mann starke �Extraction Force� sein soll.

Rambouillet-Verhandlungen

Verhandlungsgrundlage der am 7.2. 1999 unter franz�sischem und britischem Vorsitz beginnenden Kosovokonferenz im Schlo� Rambouillet bei Paris ist ein von der Kontaktgruppe vorgelegter 10-Punkte-Plan, der unter Gew�hrung von Minderheitsrechten f�r die Serben der serbischen Provinz Kosovo eine �substantielle Autonomie� einr�umt, zugleich aber die territoriale Integrit�t Jugoslawiens betont. Ein von der Kontaktgruppe kurz vor dem vorgesehenen Schlu� der Verhandlungen eingebrachter Anhang zu den milit�rischen Aspekten, �ber den nicht mehr verhandelt wird, enth�lt das im politischen Teil des Plans nicht erw�hnte Recht der NATO, eine internationale Friedenssicherungstruppe im Kosovo zu stationieren, die sich faktisch auf dem gesamten jugoslawischem Territorium frei bewegen kann. Diesen Annex erkl�rt die jugoslawische Delegationsleitung unter Leitung des serbischen Pr�sidenten Milan Milutinovic f�r unannehmbar, da die vorgesehene Pr�senz von NATO-gef�hrten internationalen Truppen auf jugoslawischem Territorium eine Verletzung der in der UN-Resolution 1199 zugesicherten �Souver�nit�t� und �Integrit�t� Jugoslawiens darstelle. Auch die zweite Verhandlungsrunde vom 15.-18.3. scheitert. Am Tag zuvor unterzeichnete die Delegation der Kosovo-Albaner, gef�hrt u.a. von dem U�K-Vertreter Hashim Tha�i, das Friedensabkommen (einschlie�lich des milit�rischen Anhangs) und verpflichtet sich damit im Falle seines Inkrafttretens zur vollst�ndigen Entwaffnung der Separatisten.

Internationale Krise und Krieg

Am 19.3. 1999 zieht die OSZE ihre etwa 1400 Inspektoren aus der Krisenregion ab; das UN-Fl�chtlingshilfswerk zieht seine Mitarbeiter ebenfalls ab. Nachdem die NATO am 23.3. Luftangriffe auf Jugoslawien beschlie�t, verh�ngt der jugoslawische Pr�sident Milosevic den Ausnahmezustand, wenig sp�ter den Kriegszustand. Am 24.3. erteilt NATO-Generalsekret�r Solana den Einsatzbefehl f�r Luftangriffe.

Ru�land und die VR China verurteilen scharf die Intervention der NATO, die durch keinen Beschlu� des UN-Sicherheitsrats gedeckt und damit v�lkerrechtswidrig sei. Vermittlungsmissionen Ru�lands, die Ministerpr�sident Jewgenij M. Primakow bzw. der Kosovo-Beauftragte Viktor S. Tschernomyrdin unternehmen, scheitern am 30.3., 22.4. und am 30.4. u.a. an der Weigerung der NATO, vor Beginn neuer Verhandlungen die Luftangriffe einzustellen.

Bis zum Ende des - formell nicht erkl�rten - Krieges nehmen au�er Griechenland, Island und Luxemburg sowie den neu beigetretenen fr�heren Ostblockstaaten Polen, Tschechische Republik und Ungarn alle NATO-Partner an der Operation �Determined Force� bzw. �Allied Force� (ab 26.3.) teil. Die Eins�tze der Flugzeuge, deren gr��ten Anteil die USA stellen, erfolgen von Flugh�fen in Italien, Deutschland, Frankreich und Gro�britannien und von Schiffen in der Adria aus.

Die urspr�nglich auf milit�rische Ziele im engeren Sinne beschr�nkten Angriffe weiten sich zunehmend auf die Zerst�rung von Industrieanlagen und Infrastruktureinrichtungen aus. So wird u.a. am 1.4. die Donaubr�cke in Novi Sad zerst�rt; am 17.4. sind Industrieanlagen und Erd�lraffinerien das Ziel. Nach verst�rkten Angriffen auf Belgrad sind auch die Strom- und Wasserversorgung stark in Mitleidenschaft gezogen.

Der Krieg fordert auch immer wieder zivile Todesopfer. Nach serbischen Angaben gibt es bei einem NATO-Angriff auf eine Eisenbahnbr�cke bei Grdelicka 14 Tote, als ein Personenzug getroffen wurde. Ein Luftangriff auf einen Fl�chtlingskonvoi von Kosovo-Albanern bei Gjakova (S�dwestkosovo) fordert Belgrad zufolge 75 Todesopfer. Die NATO gesteht ein, irrt�mlich ein ziviles Transportfahrzeug in dem Zug beschossen zu haben. Beim Beschu� der Br�cke von Luzane sterben am 1.5. 47 Menschen in einem vollbesetzten Reisebus. Bei den bislang schwersten Angriffen auf Belgrad wird am 7.5. die Botschaft der VR China getroffen und weitgehend zerst�rt. Drei chinesische Journalisten sterben. Die Entschuldigung der NATO und der USA, der Beschu� sei unabsichtlich erfolgt, nimmt China nicht an.

Am 6.5. einigen sich die Au�enminister der sieben f�hrenden Industriestaaten und Ru�lands (G 8) in Bonn auf einen 5-Prinzipien-Plan zur Beendigung des Kosovokriegs. Er deckt im wesentlichen die bisherigen NATO-Forderungen ab, l��t jedoch offen, unter welcher F�hrung die vorgesehene Stationierung internationaler �Sicherheitspr�senzen� im Kosovo, die von den UN beschlossen werden soll, erfolgen wird. Sowohl die jugoslawische F�hrung wie auch die Kosovo-Albaner lehnen verschiedene Punkte des Katalogs ab. Unter dem Druck zunehmender internationaler und innenpolitischer Kritik in mehreren NATO-Staaten angesichts der Dauer der Luftangriffe, ihrer katastrophalen Auswirkungen f�r die serbische Zivilbev�lkerung und fortgesetzter Vertreibungen konzentrieren sich die diplomatischen Bem�hungen der NATO-Staaten auf die Einbindung Ru�lands und der UN in eine NATO-dominierte Friedensl�sung.

UN-Resolution 1244

Am 3.6. 1999 stimmt die BRJ einem von dem finnischen Staatspr�sidenten Martti Athisaari und von Tschernormyrdin vermittelten Friedensplan der G 8-Staaten formell zu; neben den Prinzipien einer Friedensl�sung und dem Mandat der UN f�r eine Friedenstruppe enth�lt er die Modalit�ten zur Beendigung des NATO-Luftbombardements. Auf dieser Grundlage beschlie�en die Au�enminister der G 8-Staaten am 8.6. in K�ln den Entwurf einer Resolution des UN-Sicherheitsrats, den dieser am 10.6. mit 14 Stimmen bei Enthaltung der VR China annimmt. Entsprechend der chinesischen und russischen Forderung setzte die NATO wenige Stunden zuvor die Luftangriffe aus, nachdem die jugoslawische Armee mit dem R�ckzug ihrer Streitkr�fte begonnen hat.

Zentrale Punkte der UN-Resolution sind: zeitlich nicht begrenzte Stationierung einer von den UN autorisierten �internationalen Sicherheitspr�senz� im Kosovo (Kosovo Force / KFOR); sie soll Feindseligkeiten zwischen Albanern und Serben verhindern, die kosovo-albanischen Kampfgruppen (u.a. U�K) entwaffnen und ein sicheres Umfeld f�r die R�ckkehr der Fl�chtlinge und die Entwicklung geordneter Verh�ltnisse schaffen; die Beauftragung des UN-Generalsekret�rs mit der Einrichtung einer �internationalen zivilen Pr�senz�; sie soll eine �bergangsverwaltung einsetzen, �unter der die Bev�lkerung des Kosovo eine substantielle Autonomie innerhalb der BR Jugoslawien genie�en kann� (UNMIK); Verpflichtung der jugoslawischen Regierung auf die Einstellung aller Unterdr�ckungsma�nahmen im Kosovo und den planm��igen R�ckzug aller milit�rischen, polizeilichen und paramilit�rischen Kr�fte aus dem Kosovo; nach Abschlu� des R�ckzugs soll eine bestimmte Anzahl von Milit�rs und Polizei zur�ckkehren k�nnen; Demilitarisierung der U�K und anderer bewaffneter Gruppen; Zust�ndigkeit des Internationalen Tribunals f�r Verbrechen im fr�heren Jugoslawien (ICTY) in Den Haag f�r die im Kosovo geschehenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Aufforderung an alle Regierungen und internationalen Organisationen, sich am Wiederaufbau im Kosovo zu beteiligen und hierzu eine Geberkonferenz einzuberufen.

Bilanz der Luftangriffe

Die Angaben der Konfliktparteien �ber die milit�rischen und zivilen Opfer des Krieges und die Sachsch�den gehen weit auseinander. Nach jugoslawischen Angaben sollen rd. 1500 Zivilpersonen get�tet und rd. 5000 verletzt worden sein. W�hrend Jugoslawien die Zahl der get�teten eigenen Soldaten mit 576 angibt, geht die NATO von einer weit h�heren Zahl aus. Jugoslawien beziffert die ihm entstandenen Sachsch�den durch die �ber 35000 feindlichen Eins�tze w�hrend der 73 Tage andauernden Luftangriffe auf 190 Mrd. DM.

Einer Ende Juni 1999 vorgelegten Studie des Finanzberatungsinstituts Salomon Smith Barnes und der Gesch�ftsbank Merrill Lynch zufolge sind den NATO-Staaten durch die Luftoffensive der NATO 22,5 Mrd. DM an unmittelbaren Kosten entstanden, an Aufwendungen f�r die KFOR veranschlagen sie weitere 19 Mrd. DM. Die EU-Kommission geht von 70 Mrd. DM Wiederaufbaukosten f�r das Kosovo aus.

Drei f�hrende deutsche Friedensforschungsinstitute beurteilen in einem gemeinsamen �Friedensgutachten�, das sie am 8.6. 1999 in Berlin vorlegen, die Kosovo-Kriegsf�hrung der NATO als Mi�erfolg, u.a. weil das erkl�rte Ziel, �ethnische S�uberungen� zu unterbinden und eine �humanit�re Katastrophe� zu verhindern, nicht erreicht worden sei. Dar�ber hinaus habe die NATO mit dem Krieg gegen die UN-Charta versto�en und das V�lkerrecht gebrochen.

KFOR

Obwohl Kosovo aufgrund der Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 10.6. 1999 formell integraler Bestandteil Jugoslawiens bleibt, �bernimmt die KFOR mit dem Abzug der jugoslawischen bewaffneten Kr�fte, denen sich Zehntausende von Serben anschlie�en, das Gewaltmonopol. Die ersten Kontingente r�cken aus Mazedonien und Albanien ein, wo insgesamt rd. 16000 Soldaten stationiert sind.

Die 19 Staaten der NATO sowie elf Mitglieder des NATO-Partnerschaftsprogramms wollen Anfang Juni insgesamt 47900 Mann bereitstellen. Die gr��ten Kontingente stellen Gro�britannien (13000), die USA (7000), Frankreich (6000), Deutschland (6000, wird aufgestockt auf 8500) und Italien (3500), die die Kontrolle �ber jeweils einen Sektor des Kosovo-Territoriums erhalten. Die KFOR steht unter dem Oberbefehl des britischen Generals Michael Jackson, der im September von dem Deutschen Klaus Reinhardt abgel�st wird.

Hauptaufgaben der KFOR-Truppen sind entsprechend der UN-Resolution 1244: die Gew�hrleistung der Sicherheit aller ethnischer Gruppen und Schutz von Serben und Roma vor Vertreibungs- und Racheaktionen der R�ckkehrer; die Entwaffnung der U�K; die R�umung von Minen und von nicht gez�ndeten Bomben der NATO; der Aufbau provisorischer Strukturen �ffentlicher Ordnung, Justiz und Verwaltung bis zur �bernahme dieser Funktionen durch die zivile �bergangsverwaltung der UN.

Nach der handstreichartigen �bernahme des Flughafens von Pristina am 12.6. durch einen umfirmierten 200-Mann-starken russischen SFOR-Verband, der aus Bosnien-Herzegowina einmarschierte, einigen sich Ru�land und die NATO �ber die Einbindung russischer Einheiten in die KFOR: Unter dem Dach eines gemeinsamen NATO-Ru�land-Rats wird das rd. 3600 Soldaten starke russische Kontingent mit der Kommandostruktur der NATO eng verkn�pft, soll jedoch weitgehend eigenverantwortlich handeln k�nnen; die f�nf russischen Bataillone verteilen sich auf den US-amerikanischen (2), deutschen (2) und franz�sischen (1) Sektor und sind dem jeweiligen KFOR-Kommandeur unterstellt, k�nnen in besonderen F�llen jedoch Auftr�ge ablehnen. Die russischen Soldaten werden von der albanischen Bev�lkerung feindselig empfangen. Ru�land wird als Verb�ndeter Belgrads betrachtet, russische Milit�rs sollen an serbischen Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein. Ende August hindern Albaner mit Stra�enblockaden einen russischen Milit�rverband am Einzug in die Stadt Orahovac.

Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen

Anfang Oktober 1998 berichtet die �sterreichische Nachrichtenagentur APN, seit Anfang des Jahres seien im Kosovo nachweislich 1517 Albaner und 126 Serben get�tet worden, die Dunkelziffer liege weit h�her.

Am 16.1. 1999 werden die Leichen von 45 Kosovo-Albanern im Dorf Racak aufgefunden. Eine unabh�ngige finnische Untersuchungskommission stellt am 17.3. in ihrem Obduktionsbericht fest, bei den am 15.1. Get�teten habe es sich um unbewaffnete Zivilisten gehandelt.

Nach Berichten von Fl�chtlingen und Erkenntnissen westlicher Beobachter beginnt nach Abzug des UNHCR und der OSZE-Inspektoren am 19.3. und mit verst�rkter Intensit�t nach Aufnahme der NATO-Luftoffensive am 24.3. eine von zahlreichen Gewalttaten begleitete systematische �ethnische S�uberung� im Kosovo durch die jugoslawische Armee und serbische paramilit�rische Gruppen.

Das Internationale Tribunal f�r Verbrechen im fr�heren Jugoslawien (ICTY) in Den Haag erhebt am 27.5. Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und erl��t Haftbefehl gegen den jugoslawischen Pr�sidenten Milosevic und vier weitere f�hrende serbische Politiker. Die erste Anklage gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt wegen Kriegsverbrechen lastet den Beschuldigten die Verantwortung f�r die Vertreibung von 740000 Menschen aus dem Kosovo seit Februar 1998 und die Ermordung von mehr als 340 Kosovo-Albanern seit Januar 1999 an. Am 24.6. setzen die USA eine Belohnung von 5 Mio. US- $ f�r Hinweise zur Ergreifung der Angeklagten aus. UNMIK-Chef Bernard Kouchner beziffert am 2.8. die Anzahl der in Massengr�bern aufgefundenen Leichen auf rd. 11000.

Am 29.4. erhebt die BRJ vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Anklage gegen zehn NATO-Staaten wegen der Luftangriffe, die den Tatbestand des Angriffskriegs und des V�lkermordes erf�llten. Der IGH weist den Antrag auf eine einstweilige Anordnung zur sofortigen Einstellung der Bombenangriffe am 3.6. zur�ck, r�umt allerdings ein, das Vorgehen der NATO werfe �ernsthafte Fragen� f�r das internationale Recht auf. Kritik am Einsatz von Splitterbomben und der Zerst�rung ziviler Einrichtungen wie Schulen und Krankenh�usern �bt auch die UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson am 31.5.

Die R�ckkehr der kosovo-albanischen Fl�chtlinge ist begleitet von zahlreichen Gewalttaten gegen Serben und Roma, die ihrerseits teilweise den Charakter einer �ethnischen S�uberung� annehmen. Ihre Aufgabe, die nichtalbanische Bev�lkerung vor Racheakten der R�ckkehrer zu sch�tzen, erf�llt die KFOR nur unvollkommen. Am 23.6. werden bei Gracko s�dlich von Pristina 14 serbische Bauern ermordet aufgefunden. Bis Anfang Juli fliehen etwa 72000 der rd. 200000 im Kosovo lebenden Serben.

Fl�chtlinge

Als Folge der von �bergriffen gegen die albanische Bev�lkerung und Vertreibungsma�nahmen begleiteten Offensive der jugoslawischen Truppen und serbischen Sicherheitskr�fte gegen die kosovo-albanische Untergrundarmee U�K befinden sich nach Sch�tzung internationaler Fl�chtlingsorganisationen Ende September 1998 rd. 275000 Menschen innerhalb des Kosovo auf der Flucht, nach albanischen Angaben wurden mehr als 400000 vertrieben. Nach dem Milosevic-Holbrooke-Abkommen vom 13.10. kehren die meisten in ihre Heimatorte zur�ck.

Seit Ende Dezember 1998 und sprunghaft seit Ende Februar steigt die Zahl der Vertriebenen und Fl�chtlinge bis Mitte M�rz 1999 nach Sch�tzung des UNHCR erneut auf etwa 440000 (entspricht 22% der Gesamtbev�lkerung) an: etwa 240000 Personen suchen innerhalb der Provinz Zuflucht, etwa 200000 sind nach Montenegro (25000), Serbien (30000), Albanien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina (zusammen 40000) gegangen und in verschiedenen L�ndern Westeuropas untergekommen.

Am 19.3. zieht das UNHCR seine Mitarbeiter aus dem Kosovo nach Mazedonien ab.

Angesichts der noch vor Beginn der NATO-Luftoffensive am 24.3. einsetzenden Vertreibung der Kosovo-Albaner durch jugoslawische Truppen errichten das UNHCR und andere internationale humanit�re Organisationen sowie die in diesen L�ndern urspr�nglich zum Schutz der OSZE-Beobachter stationierten NATO-Truppen Fl�chtlingslager in Mazedonien und Albanien. Am 26.5. beziffert das UNHCR die Zahl der Kosovo-Fl�chtlinge in Albanien auf 439500, in Mazedonien auf 246700, in Montenegro auf 64200, in Serbien (nach serbischen Angaben) auf 60000, in Bosnien-Herzegowina auf 21500, die Zahl der Binnenfl�chtlinge auf eine halbe Million.

Von Drittstaaten au�erhalb der Balkanregion erh�lt das UNHCR bis Ende April Zusagen f�r die Aufnahme von insgesamt rd. 115000 Fl�chtlingen.

Mit dem Einr�cken der KFOR ins Kosovo am 11.6. beginnt unter chaotischen Umst�nden die Massenr�ckkehr der Fl�chtlinge aus Nordalbanien und Mazedonien ins Kosovo, nach UNHCR-Angaben bis Anfang Juli rd. 590000. Vor ihnen fliehen in dieser Zeit wiederum etwa 72000 der rd. 200000 im Kosovo lebenden Serben.

U�K

Mit der zunehmenden Verlagerung des Kosovokonflikts auf die milit�rische Ebene gewinnt die Kosovo-Befreiungsarmee (U�K) unter den im Kosovo verbliebenen Albanern politisch die Oberhand �ber die von dem im M�rz 1998 gew�hlten (von der U�K jedoch nicht anerkannten) Pr�sidenten Ibrahim Rugova repr�sentierten Kr�fte, die das Ziel der staatlichen Unabh�ngigkeit des Kosovo auf friedlichem Wege zu erreichen suchen. Am 2.3. 1999 ernennt die U�K in Pristina den 29j�hrigen Leiter ihrer politischen Direktion, Hashim Tha�i, zum Chef einer von der U�K gef�hrten provisorischen Regierung, die zun�chst im Exil in Tirana residiert; in ihr ist das von Rexhep Qosjas gef�hrte Parteienb�ndnis Vereinigte Demokratische Bewegung (LBD) mit f�nf Kabinettsposten vertreten, w�hrend Rugovas Demokratischer Liga des Kosovo (LDK) das Amt eines stellvertretenden Ministerpr�sidenten reserviert wird. Der mit Rugova zusammenarbeitende Chef der kosovo-albanischen Exilregierung in Deutschland, Bujar Bukoshi, spricht der Regierung Tha�is die demokratische Legitimation ab. Am 7.3. findet der in Rambouillet verhandelte Friedensplan der Balkan-Kontakgruppe die grunds�tzliche Zustimmung des vornehmlich aus gem��igten Vertretern bestehenden Parlaments der Kosovo-Albaner in Pristina, am 12.3. der U�K-Kommandanten.

Anla� zu Spekulationen geben zwei Treffen von Milosevic und Rugova, der in Belgrad unter Hausarrest steht, am 1.4. und am 28.4. Am 5.5. reist Rugova nach Italien aus und bezeichnet am 16.5. in Bonn die von ihm gemeinsam mit Milosevic unterzeichnete Forderung nach einem Ende der NATO-Luftangriffe als gegenstandslos.

Am 10.6. verk�ndet die U�K einen Waffenstillstand. Am 21.6. verpflichtet sie sich in einem Abkommen zwischen Tha�i und dem Kommandanten der NATO-Truppen im Kosovo, General Michael Jackson, innerhalb einer Woche alle schweren Waffen abzugeben und sich innerhalb von drei Monaten bis auf Handfeuerwaffen vollst�ndig demilitarisieren zu lassen; dieser Verpflichtung kommt sie in der Folgezeit jedoch nur unvollst�ndig nach. Mit ihrer funktionierenden Infrastruktur stellt sie die einzige selbsternannte Ordnungsmacht unter den Kosovo-Albanern dar.

Hilfsma�nahmen und �bergangsverwaltung

Stabilit�tspakt

Eine von der Europ�ischen Union (EU) auf Initiative Deutschlands einberufene Au�enministerkonferenz von 38 Staaten und 15 internationalen Organisationen in K�ln am 10.6. 1999 beschlie�t einen �Stabilit�tspakt� f�r die Balkanregion, der mit einem umfangreichen Hilfsprogramm verbunden sein soll. Der Wiederaufbau im Kosovo soll unter Regie der EU erfolgen; zum Koordinator f�r die Umsetzung des Stabilt�tspakts wird am 29.6. der bisherige deutsche Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) ernannt. Eine Geberkonferenz von 57 Staaten und 41 internationalen Organisationen unter Federf�hrung der Weltbank und der EU beschlie�t am 28.7. in Br�ssel eine Soforthilfe in H�he von 2,2 Mrd. DM f�r den Wiederaufbau im Kosovo (zus�tzlich zu schon ausgegebenen 1,5 Mrd. DM). Serbien bleibt auf Beschlu� des Balkan-Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs aus 29 L�ndern in Sarajewo am 30.7. von Hilfen ausgeschlossen, solange kein demokratischer Wandel stattgefunden habe.

UNMIK

Eine Au�enministerkonferenz in New York am 30.6. 1999, an der sich 16 Staaten und mehrere internationale Hilfsorganisationen beteiligen (�Freunde des Kosovo�), bereitet auf der Basis der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats vom 10.6. die Einrichtung einer zivilen �bergangsverwaltung f�r das Kosovo (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo / UNMIK) vor. Hauptzust�ndigkeitsbereiche der UNMIK sind neben den allgemeinen Verwaltungsaufgaben auch die Polizei und das Justizwesen. Am 4.7. ernennt UN-Generalsekret�r Annan den bisherigen franz�sischen Staatssekret�r f�r Gesundheit und Mitbegr�nder der Organisation ��rzte ohne Grenzen�, Bernard Kouchner, zum Hohen Beauftragten der UN und Chef der UNMIK. Der Deutsche Tom Koenigs (B�ndnis'90 / Gr�ne) wird 24.8. zum Leiter f�r den administrativen Aufbau der UNMIK berufen.

Der internationalen Verwaltung stehen miteinander rivalisierende kosovo-albanische Autorit�ten gegen�ber: �Pr�sident� Rugova (LDK), der am 12.7. aus dem Exil nach Pristina zur�ckkehrt, die ebenfalls zur�ckgekehrte bisherige Exilregierung Bukoshi (LDK) und die �Provisorische Regierung� unter Tha�i (U�K). Am 16.7. installiert Kouchner einen zw�lfk�pfigen �bergangsrat, in dem politische und gesellschaftliche Organisationen sowie die serbische, albanische und t�rkischen Bev�lkerungsgruppe vertreten sind. Er soll als Bindeglied zwischen der Bev�lkerung und UN-Administration wirken und sich an der Wiederherstellung der zivilen staatlichen Strukturen beteiligen.

Weitere innenpolitische Entwicklung

Nach au�enpolitischen Zugest�ndnissen Jugoslawiens in der Kosovokrise gehen die serbischen Beh�rden gegen regierungskritische Medien und die innenpolitische Opposition vor. Mitte Oktober 1998 werden zwei Sender und drei Tageszeitungen geschlossen, am 23.10. wird ein versch�rftes Mediengesetz verabschiedet. Im Zuge einer S�uberungswelle im Partei- und Staatsapparat und in der Armee entl��t Pr�sident Milosevic am 24.11. den Generalstabs- und Heereschef Momcilo Perisic. Am 25.11. protestieren Studenten in Belgrad gegen die politische Gleichschaltung der Universit�t.

Der fr�here Oppositionsf�hrer Vuk Draskovic tritt am 19.1. 1999 als stellvertretender Regierungschef zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern seiner Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) in die Zentralregierung ein; sie werden am 28.4. wieder entlassen, nachdem Draskovic in den Tagen zuvor die Kriegspolitik von Milosevic kritisierte und sich f�r eine NATO-Friedenstruppe im Kosovo aussprach.

Das serbische Parlament akzeptiert am 3.6. den Friedensplan der G 8. Aus Protest gegen die Duldung des Einzugs der KFOR ins Kosovo tritt der stellvertretende serbische Ministerpr�sident Vojislav Seselj zur�ck und k�ndigt das Regierungsb�ndnis der von ihm gef�hrten extrem nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) mit der Sozialistischen Partei von Milosevic auf. Am 12.8. tritt die SRS wieder in die Regierung ein.

Oppositionsbewegung

Nach Aufhebung des Kriegszustands am 24.6. formiert sich in zahlreichen Demonstrationen die innerserbische Opposition gegen das Milosevic -Regime. Am 16.7. bilden die �Allianz f�r den Wechsel� unter Federf�hrung des Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Zoran Djindjic, und die �Allianz demokratischer Parteien� in Belgrad ein Aktionsb�ndnis von 36 Parteien und Organisationen. Draskovic schlie�t sich dem B�ndnis nicht an; ein Angebot zum Eintritt in serbische Regierung lehnt er am 4.8. ab. Die Spaltung der Oppositionsbewegung zeigt sich auch bei der Gro�kundgebung mit mehr 150000 Teilnehmern am 19.8. in Belgrad. Djindjic stellt Milosevic ein Ultimatum f�r seinen R�cktritt und k�ndigt einen Generalstreik f�r September an. Der Forderung nach sofortigen R�cktritt von Milosevic, Bildung einer �bergangsregierung und vorgezogenen Neuwahlen unter Aufsicht der OSZE setzt die serbische Regierung am 25.8. das Angebot von Neuwahlen im November entgegen.

Montenegro

Die F�hrung der autonomen Teilrepublik, die im August 1998 die Zusammenarbeit mit den jugoslawischen Zentralbeh�rden eingestellt hat, nutzt den Konsovokonflikt, um den Abl�sungsproze� von der serbischen Vormacht voranzutreiben. Montenegro, seit Januar 1998 von dem als prowestlicher Reformer geltenden Milosevic -Gegner Milo Djukanovic gef�hrt, wird zum Zufluchtsort serbischer Oppositioneller und rd. 75000 kosovo-albanischer Fl�chtlinge; gleichwohl fliegt die NATO w�hrend ihrer Luftoffensive auch in Montenegro zahlreiche Angriffe gegen wichtige Einrichtungen der Infrastruktur und der jugoslawischen Bundesarmee, die in Montenegro etwa 10000 Soldaten stationiert und hier ihren einzigen Zugang zur Adria hat.

Die Spannungen zwischen Belgrad und Podgorica versch�rfen sich mit dem - in Montenegro umstrittenen - Versuch der Regierung des Teilstaats, sich im Konflikt mit der NATO neutral zu verhalten. Am 22.2. 1999 untersagt die Regierung der Bundesarmee die Nutzung ihrer Basen in der Teilrepublik f�r den Fall, da� es zu einer milit�rischen Konfrontation kommt; der Beschlu� bleibt, da nicht durchsetzbar, ohne praktische Folgen. Dem von Pr�sident Milosevic am 24.3. verh�ngten Ausnahmezustand verweigert sich die montenegrinische Regierung ebenso wie Anfang April der Forderung der Bundesarmee, ihr die von 10000 auf 15000 Mann verst�rkte montenegrinische Polizeitruppe zu unterstellen.

Am 5.8. legt Djukanovic den Entwurf einer Verfassungsreform vor. Er verlangt, die BR Jugoslawien in eine Konf�deration zweier selbst�ndiger Staaten unter der Bezeichnung �Verbund Montenegros und Serbiens� umzuwandeln, und k�ndigt im Falle der Ablehnung seines Vorschlags durch Belgrad eine Volksabstimmung in Montenegro �ber eine staatliche Unabh�ngigkeit an.

Zur�ck


 

Aktuelle Informationen zu diesem und allen �brigen Themen des ARCHIVS finden Sie im Fischer Weltalmanach 2001 und im Digitalen Fischer Weltalmanach 2001.