15.10.1999
Der am 14. Oktober in London verstorbene langjährige Präsident Tansanias, Julius Nyerere, wird am 21. Oktober in seinem Heimatdorf Butiama beigesetzt. Zu den Feierlichkeiten werden zahlreiche afrikanische Staatschefs sowie die amerikanische Außenministerin erwartet.
Der tansanische Präsident Mkapa ordnete eine 30tägige Staatstrauer an und hob die »unermeßlichen Verdienste« Nyereres bei der Einigung des Landes hervor. Der südafrikanische Präsident Mbeki nannte Nyerere den »wahren Befreier und Gründervater Afrikas« und würdigte Nyereres Anteil an der Beendigung der Apartheid in seinem Land.

Nyerere, Julius Kambarage (Tansania), *Butiama März 1922; 1960-62 Ministerpräsident, 1962-1985 Staatspräsident

Häuptlingssohn, Lehrer an einer katholischen Missionsschule, 1949-53 Studium der Geschichte und Ökonomie in Kampala (Uganda) und Edinburgh (Großbritannien). 1954 gründet er die Befreiungsbewegung Tanganyika African National Union (TANU), die unter seiner Führung 1960 die Wahlen in der britischen Kolonie Tanganjika gewinnt. Nyerere wird erster schwarzafrikanischer Chief Minister der Kolonie und führt das Land in die Unabhängigkeit. Im November 1962 wird er zum Präsidenten des am 9. Dezember 1961 unabhängig gewordenen Tanganjika gewählt - ein Amt, das er erst 1985 durch Rücktritt wieder verläßt.
Im 1964 durch Zusammenschluß der Nachbarstaaten Sansibar, Pemba und Tanganjika entstandenen Vereinigten Republik Tansania setzte Nyerere seine Vorstellungen eines afrikanischen Sozialismus um, die auf der »Ujamaa-Idee« den Dorfgemeinschaften, gründet und in der »Erklärung von Arusha« (1967) formuliert ist. Sie verbindet eine Form sozialistischer Landwirtschaft mit den traditionellen Wirtschafts- und Lebensformen Afrikas.
Nyereres Ideen hatten starken Einfluß auf nationale Befreiungsbewegungen anderer schwarzafrikanischer Staaten (Simbabwe, Mosambik, Angola, Uganda, Südafrika), die er aktiv unterstützte. So setzte er sich Mitte der siebziger Jahre für ein Ende der weißen Herrschaft in Rhodesien (heute: Simbabwe) ein; 1979 führte eine Invasion tansanischer Truppen zum Sturz des ugandischen Diktators Idi Amin Dada und zur Rückkehr Milton Obotes an die Macht. Großen Anteil hatte Nyerere auch an der Entwicklung der Organisation für die Einheit Afrikas (OAU).
Wirtschaftliche Mißerfolge und wachsende Kritik an seiner Politik führen schließlich zu seinem Ausscheiden aus dem Amt des Staatspräsidenten im Dezember 1985. Den Vorsitz der tansanischen Einheitspartei Chama cha Mapinduzi (Partei der Revolution) CCM, in der die TANU 1977 aufgegangen war, legte Nyerere erst 1990 nieder. Sein Nachfolger in beiden Positionen wurde Ali Hassan Mwinyi.
Nyereres Abschied aus den politischen Ämtern leitete das Ende des tansanischen Sozialismus ein, das mit der im Mai 1992 verabschiedeten Verfassungsänderung und der Einführung eines Mehrparteiensystems auch formell vollzogen wurde.
