14.4.2000
Die Regierungschefs der im Ostseerat zusammengeschlossenen elf Ostsee-Anrainerstaaten hielten am 12. und 13. April in Kolding (Dänemark) ihr drittes Gipfeltreffen ab. Dem Gremium gehören alle fünf nordeuropäischen Staaten (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden), Deutschland, Polen, Russland und die drei baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) an. Lediglich Norwegen und Island sind keine direkten Ostsee-Anrainer. Die Kommission der Europäischen Union (EU) als zwölftes Mitglied war in Kolding durch Kommissionspräsident Romano Prodi vertreten. Russland hatte die größte Delegation entsandt, allerdings ohne den amtierenden Präsidenten und Ministerpräsidenten Wladimir Putin.
Hauptthemen der formlosen Gesprächsrunden waren die Osterweiterung der EU, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie konkrete Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur im östlichen Teil des Ostseeraums. Die Teilnehmer einigten sich auf eine Verlängerung der Arbeit des 1996 eingerichteten gemeinsamen Arbeitsstabs (Task Force) zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Ostseeregion bis zum Jahr 2004. Sie billigten ferner eine Initiative gegen die zunehmende Ausbreitung ansteckender Krankheiten. Eine diesbezügliche Task-Force soll bis Ende 2000 einen Maßnahmenkatalog ausarbeiten. Die Gipfelteilnehmer, darunter der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, waren sich darüber einig, dass der Ostseerat außer der EU in Zukunft das wichtigste Gremium der Region sein werde. Die auf dem Treffen erörterte neue Struktur des Rats soll auf einem Außenministertreffen im Juni weiterverfolgt werden. Dabei geht es v.a. um eine Abstimmung der Ostsee-Zusammenarbeit mit der "nördlichen Dimension" der EU.
Wie auf den vergangenen Ostsee-Gipfeln in Visby (1996) und Riga (1998) war auch in Kolding die Politik gegenüber Russland ein Schwerpunkt. Die Zukunft des russischen Königsberg (Kaliningrad), das mit dem EU-Beitritt Litauens und Polens zur EU-Enklave wird, spielt dabei eine immer wichtigere Rolle.
Der Ostseerat wurde auf dänisch-deutsche Initiative am 6. März 1992 in Kopenhagen (Dänemark) als Konsultations- und Koordinierungsforum der Außenminister der Ostsee-Anrainerstaaten gegründet. Sein Ziel ist die Schaffung einer marktwirtschaftlichen Wachstumszone rund um das Binnenmeer durch Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Technologie, Handel, Energie, Transport und Telekommunikation, Gesundheit und humanitäre Maßnahmen, Tourismus, Kultur und Bildungswesen, Umweltschutz und Energie. Vordringlich sind die Einrichtung regionaler Infrastrukturen und die Unterstützung des Wirtschaftsaufbaus in den Transformationsstaaten, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sowie die Sicherung der gefährdeten Umwelt, insbesondere die Säuberung der Ostsee.
Das 1998 eröffnete Ostsee-Sekretariat in Stockholm (Schweden) dient als unbürokratische Koordinationsstelle. Den jährlich wechselnden Vorsitz im Ostseerat hat gegenwärtig Norwegen inne; er geht am 1. Juli 2000 auf Deutschland über.
Der Ostseeraum gilt als eine der künftigen Wachstumsregionen in Europa. Noch sind die Unterschiede in den politischen Strukturen, den Rechtsystemen und den marktwirtschaftlichen Gegebenheiten der einzelnen Staaten sehr groß; das Bemühen um eine Zusammenarbeit ist daher um so bedeutsamer – auch im Hinblick auf die Einbeziehung Russlands.
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