4.12.1999
Die Dritte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) fand vom 30. November bis 3. Dezember in Seattle (USA) statt. Sie scheiterte an Interessenskonflikten zwischen den USA und der Europäischen Union (EU), aber auch zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen. Die Fachminister der 135 WTO-Mitglieder - 134 Staaten und die EU-Kommission - waren außer Stande, sich auf Reichweite und Tagesordnung einer neuen Freihandelsrunde (»Milleniumrunde«) zu einigen, die auf die Uruguay-Runde (1986-93) folgt.
Wichtigste Streitpunkte waren neben dem Themenspektrum der nächsten Freihandelsrunde die Landwirtschaft und die Verknüpfung von Handel und Arbeitnehmerrechten. Die EU weigerte sich, einem Kompromiss zur Landwirtschaft zuzustimmen, weil die USA keine detaillierten Vorschläge zu anderen Themen wie Investitionen oder Umweltschutz vorlegten. Die Entwicklungsländer wiederum waren nicht bereit, Gespräche über Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte zu akzeptieren und forderten die Neuverhandlung von bereits geschlossenen Abkommen, bei denen sie sich zu kurz gekommen sehen. Die so genannte Cairns-Gruppe, der Agrarstaaten wie Australien und Kanada auch Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien oder auch Thailand und Malaysia angehören, will sich nur mit einer Verpflichtung zur völligen Abschaffung aller Exportsubventionen und internen Stützungsmaßnahmen zufrieden geben.
Die Gespräche sollen nun am Sitz der WTO in Genf fortgesetzt werden. Ein Termin wurde noch nicht genannt. Mit den bereits in der Uruguay-Runde beschlossenen Verhandlungen über den Abbau von Handelsschranken bei Dienstleistungen und Landwirtschaft soll planmäßig im Januar 2000 begonnen werden. Die Konferenz war von massiven Protesten von bis zu 50.000 WTO-Gegnern - Umweltschützer, Gewerkschafter und Menschenrechtler - gegen die angestrebten Vereinbarungen zur weiteren Globalisierung überschattet. In den Straßen von Seattle gab es am 30. November zum Teil gewalttätige Unruhen, die die Eröffnungsfeier verhinderten. Der Bürgermeister der Stadt reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustands bis zum Konferenzende. Zur Unterstützung der örtlichen Polizei wurden Einheiten der Staatspolizei und der Nationalgarde beordert.
In einer von mehr als 1000 Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus 73 Staaten unterzeichneten »Civil Society's Declaration« wird ein Moratorium für alle neuen Themen oder weiteren Verhandlungen gefordert, die der WTO mehr Macht verleihen und die reichen Staaten bevorzugen. Zahlreiche NGOs werfen der WTO vor, ihr fehle jegliche demokratische Legitimität; sie sei keinem gewählten Parlament Rechenschaft schuldig und mache dennoch souveränen Staaten Verhaltensvorschriften.
(WTO-Homepage: www.wto.org)