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20 Jahre Schengener Abkommen
 

Durch die Schengener Übereinkommen (»Schengen I« und »Schengen II«) entfallen die Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Anwenderstaaten und werden stattdessen auf die Außengrenzen verlagert. Dies machte Ausgleichsmaßnahmen insbesondere in folgenden Bereichen erforderlich: Gemeinsame Regeln für die Visa-, Asyl- und Einwanderungspolitik, beim Schutz der Außengrenzen, bei Maßnahmen gegen illegale Einwanderung, bei der Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens bis hin zu einer teilweisen Harmonisierung des Strafrechts. Heute sind 13 der 15 alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie Island und Norwegen, die der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) angehören, Vollanwender der Schengener Übereinkommen.

Entstehung, Entwicklung, Mitglieder

Das erste Schengener Übereinkommen - auch »Schengen I« genannt - wurde am 14. Juni 1985 im gleichnamigen luxemburgischen Moselort durch ein Regierungsabkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden mit Wirkung zum 1. Januar 1990 unterzeichnet. Nach Schwierigkeiten bei der Umsetzung (»Sicherheitsdefizite«) wurde am 19. Juni 1990 das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) - auch »Schengen II« genannt - unterzeichnet, das zum 26. März 1995 in Kraft gesetzt wurde - zunächst zwischen den fünf Gründerstaaten des Abkommens sowie mit Spanien und Portugal. In der Folge kamen Dänemark, Finnland, Griechenland, Italien, Österreich und Schweden hinzu. Norwegen und Island, die der EU nicht angehören, traten dem Regelwerk ebenfalls bei. Die beiden skandinavischen Staaten hatten gemeinsam mit Dänemark, Finnland und Schweden bereits 1954 den freien Grenzverkehr untereinander durch eine Passunion verwirklicht. Als einzige der alten EU-Mitglieder fehlen Großbritannien und Irland, die ihre Hoheitsrechte bislang nicht aufgeben wollten. Die zehn neuen EU-Staaten, die dem Staatenbund zum 1. Mai 2004 beigetreten sind (Polen, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Tschechien, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie die Mittelmeerinseln Malta und Zypern), werden den Schengen-Acquis (d.h. die Schengener Abkommen und die auf dieser Grundlage erlassenen Regelungen) voraussichtlich ab Anfang 2008 voll anwenden. Am 5. Juni 2005 stimmte die Schweizer Bevölkerung dem Beitritt ihres Landes zu den Schengener Übereinkommen zu. Damit werden wahrscheinlich ab dem Jahr 2007 Personenkontrollen an den Schweizer Grenzen entfallen, Zollkontrollen wird es jedoch weiterhin geben.

Freier Personen- und Warenverkehr

Mit »Schengen I« wurden seit Anfang 1990 zunächst Erleichterungen bei der Abfertigung an den gemeinsamen Grenzen der Gründerstaaten verwirklicht (im Pkw-Verkehr Beschränkung auf einfache Sichtkontrolle des im Schritttempo passierenden Fahrzeugs; im Lkw-Verkehr Verzicht auf systematische Kontrollen von Fahrtenblatt und Beförderungsgenehmigung, der Maße und Gewichte). »Schengen II« schuf 1995 den freien Personen- und Warenverkehr und sah folgende Ausgleichsmaßnahmen für Sicherheitsdefizite vor: Die Kontrollen an den Außengrenzen der Anwenderstaaten werden verstärkt; die Einreise für Bürger aus Staaten, die nicht der EU angehören (sog. Drittstaaten), wird durch gemeinsame Listen visumpflichtiger und visumfreier Staaten geregelt, Visa werden gegenseitig anerkannt und Inhaber eines einheitlichen Schengen-Visums können sich während des Gültigkeitszeitraums, längstens jedoch drei Monate pro Halbjahr in den Anwenderstaaten aufhalten; Asylanträge werden vom Einreisestaat beurteilt und von den anderen Staaten anerkannt (das nationale Asylrecht bleibt aber bestehen); die polizeiliche Zusammenarbeit (auch bei der Verfolgung des grenzüberschreitenden illegalen Drogenhandels) wird verstärkt; die Anwenderstaaten haben Zugriff auf das Schengener Informationssystem (SIS), ein länderübergreifendes Fahndungssystem mit einem Zentralcomputer im französischen Straßburg mit schengenweiten Personen- und Sachdaten; Straftäter können über die Grenzen hinweg verfolgt werden (polizeiliche Nacheile). Stichproben, u.a. an der deutsch-dänischen Grenze wegen der zollrechtlichen Sonderregelungen für Dänemark, sind immer noch möglich. Zudem muss auch weiterhin ein gültiger Ausweis mitgeführt werden. Da die bisherige Datenbank SIS inzwischen als veraltet gilt, hat die EU-Kommission ein neues System (SIS II) in Auftrag gegeben. Es soll ab März 2007 einsatzbereit sein und auch biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Lichtbilder abrufbereit halten.

Einbeziehung in den EU-Rahmen

Durch ein Protokoll zum Vertrag von Amsterdam (zur Änderung und Ergänzung der Verträge, auf denen die EU beruht) wurde die Schengen-Zusammenarbeit mit Wirkung zum 1. Mai 1999 in den EU-Rahmen einbezogen; d.h. die Anwenderstaaten der Schengener Übereinkommen stellten ihre Zusammenarbeit beim Abbau der Binnengrenzen in den rechtlichen und institutionellen Rahmen der EU. Die gemeinsame Visapolitik wurde bereits durch den Maastricht-Vertrag (1993) eingeführt; der EU-Ministerrat bestimmt auf Vorschlag der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit die Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der EU-Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen. Das in der Einheitlichen Europäischen Akte (1987) enthaltene Ziel der Freizügigkeit wurde damit verwirklicht, gleichzeitig eine demokratische parlamentarische Kontrolle gewährleistet und den Bürgern der Rückgriff auf Rechtsmittel ermöglicht, wenn ihre Rechte in Frage gestellt sind (Europäischer Gerichtshof und/oder nationale Gerichte).

Maßnahmen nach dem 11. September

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington einigten sich die EU-Staaten noch im gleichen Monat in einem Aktionsplan gegen den Terrorismus darauf, die Zusammenarbeit der europäischen Justiz-, Polizei- und Geheimdienststellen zu verstärken. Eine Schlüsselrolle übernahm dabei das Europäische Polizeiamt (Europol) in Den Haag, das von den Mitgliedstaaten für gemeinsame Untersuchungen und multinationale Ad-hoc-Teams beigezogen werden kann. Nach dem Blutbad von Madrid am 11. März 2004 gerieten die EU-Regierungen unter Druck, einzelstaatliche politische und rechtliche Vorbehalte gegen eine engere Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung zurückzustellen. Anfang 2004 wurde ein »Europäischer Haftbefehl« für schwere Straftaten eingeführt, der die Auslieferung von Verdächtigen zwischen den EU-Staaten erleichtert. In Bedrohungsfällen kann das Schengen-Regelwerk ausgesetzt werden - wie dies beispielsweise Frankreich nach den Anschlägen von Madrid kurzfristig getan hat. (MvB)

Links

Schengener Übereinkommen (»Schengen I«):
http://migration.uni-konstanz.de/pdf/ge/Europarecht/
Vertraege/Schengen-I.htm

Schengener Durchführungsübereinkommen
(SDÜ, »Schengen II«):

www.aufenthaltstitel.de/schengeneruebereinkommen.html

www.auswaertiges-amt.de/www/de/willkommen/
einreisebestimmungen/schengen_html

Europäischen Union: www.europa.eu.int

EFTA: www.efta.int

Europol: www.europol.eu.int

   
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